Muskelkrampf beim Sport
– neue Datenlage

Muskelkrampf beim Sport: Was hilft und was nicht?

Weder Magnesium noch Bananen helfen bei Muskelkrämpfen, zu viel Flüssigkeit kann sogar gefährlich werden. Welche Maßnahmen im Akutfall Linderung bringen, war Thema auf dem Ortho Trauma Update.

Zur Entstehung von Muskelkrämpfen beim Sport kursieren viele Theorien. Eine der gängigsten besagt, dass es sich um eine Folge der Dehydrierung mit Elektrolytverschiebungen handelt. Der Muskel krampfe, weil der Körper große Mengen an Schweiß produziere. Durch den Flüssigkeitsverlust steige die Osmolalität im Blutplasma, was dazu führe, dass Flüssigkeit aus dem interstitiellen Raum abgezogen werde. Dies wiederum bedinge eine Kontraktion des interstitiellen Flüssigkeitsraums, was das Krampfen befördere.

„Das kann so gar nicht stimmen“, erklärt PD Christian Sturm, Hannover. Wie in einer aktuellen Übersichtsarbeit aus Michigan nachzulesen, liege in diesem Modell ein pathophysiologischer Widerspruch: Über das Schwitzen gingen nicht nur Flüssigkeit, sondern auch erhebliche Mengen an Natrium verloren. Somit würde sich die Osmolalität des Plasmas sogar verringern und entsprechend wenig oder gar keine Flüssigkeit aus dem Interstitium abgezogen werden. Nach Sturm gibt es mittlerweile Studien, die das Konzept vom kontrahierten Interstitium als Krampfursache klar widerlegen.

Zur Entstehung von Muskelkrämpfen beim Sport gibt es etliche Theorien.

Große Bandbreite individueller Risikofaktoren

Deutlich plausibler ist nach Sturm die Theorie der veränderten neuromuskulären Kontrolle. Krämpfe träten demzufolge auf, wenn Ermüdung und andere individuelle Risikofaktoren ein Ungleichgewicht zwischen erregenden und hemmenden Reizen an der motorischen Endplatte bedingen. Hier sei eine ausführliche Anamnese gefragt: Die Bandbreite der Risikofaktoren reiche von Schlafmangel oder Medikamenteneinnahme bis hin zu inadäquatem Training. Aber auch Faktoren wie Stress, Schmerzen, Muskelschäden, Flüssigkeitsmangel und Luftfeuchtigkeit können laut dieser Theorie dazu beitragen, dass letztlich die Aktivität der Alpha-Motoneuronen steigt und die Krampfneigung zunimmt. „Es ist nicht die eine Ursache, sondern es kommen bis zu 30 verschiedene Faktoren infrage, die zum Endergebnis Krampfneigung beim Sportler führen können“, sagt Sturm.

Sanftes Dehnen und Schmerzlinderung

Als „schnellste, sicherste und wirksamste Behandlung von Muskelkrämpfen“ bezeichnet Sturm eine „selbst durchgeführte oder von einem Therapeuten unterstützte sanfte Dehnung“. Hinter dieser Empfehlung stecke folgendes Konzept: Das statische Dehnen von Muskeln erzeuge über die erhöhte Sehnenspannung die Hemmung des Golgi-Sehnenorgans. Über reflektorische Bahnen werde eine im ZNS ausgelöste Entspannung des Muskels provoziert. Dies kann nach Sturm dazu beitragen, das Gleichgewicht zwischen erregenden und hemmenden Signalen wiederherzustellen: „Grob vereinfacht könnte man sagen, der Muskel denkt: Oh Gott, gleich reißt was, da lass ich lieber los.“

Auch schmerzlindernde physikalische Methoden können in der Akutsituation helfen. Maßnahmen wie Kryotherapie, Massage oder elektrische Stimulation könnten das Problem zwar nicht ursächlich lösen, sie seien aber in der Lage, den Schmerz-Krampf-Schmerz-Zyklus zu verbessern. „Wenn es weh tut, verkrampft man sich, dadurch wird der Schmerz noch schlimmer“, erklärt Sturm das Phänomen. Weitere Tipps des Sportmediziners:

  • Hausmittel wie Gurkensaft und Senf können durch ihre Eigenschaft als TRP-Agonisten (Steigerung des Transient-Rezeptor-Potenzials) zur Linderung von Krämpfen beitragen.
  • Wenig wirksam sind dagegen Bananen. Diese kommen den Sportlern höchstens wegen der kurzfristigen Glukosezufuhr zugute.
  • Auch von dem früher häufig empfohlenen Tonic Water wird heute abgeraten. Durch seinen Chiningehalt kann dieses sogar schädlich sein.
Auf hypotone Getränke verzichten!

Zu warnen ist nach Sturm insbesondere vor der Zufuhr hypotoner Getränke in größeren Mengen, unter der Vorstellung, damit die Dehydratation zu beheben: „Klare Flüssigkeiten literweise in sich reingießen, kann durch die Elektrolytverschiebung lebensbedrohliche Notfälle erzeugen“, meint Sturm. Der Sportmediziner rät eher zu Getränken mit einer Mischung aus Kohlenhydraten und Salz. Diese seien deutlich effektiver als Magnesium, auf das viele Sportler schwören.

Letztlich komme es nicht auf allgemeine Ratschläge an, sondern auf einen „vielseitigen, aber gezielten Ansatz“, der die individuellen Risikofaktoren berücksichtige. Sturms Fazit: „Einstellung der sportlichen Betätigung, also Ruhe, und sanftes Dehnen bis zum Abklingen der Übererregung sind die Mittel der Wahl in der Akutsituation.“
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Autorin: Oberhofer, E. Muskelkrampf beim Sport: Was hilft und was nicht?. CME 20, 36 (2023). mit Open Access | CC BY-SA | DOI: 10.1007/s11298-023-3164-1

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