Wie enden Kriege? Einsichten für den Ukrainekrieg
Einleitung

Politiker*innen, Publizisten*innen, Politikwissenschaftler*innen und die Öffentlichkeit fragen sich, wie Russlands Krieg gegen die Ukraine enden könnte, wie lang er dauern wird und was das ultimative Ziel der militärischen, wirtschaftlichen und politischen Unterstützung der Ukraine ist – die Verhinderung einer vollständigen Niederlage der Ukraine, die Rückkehr zum Status quo vor dem 24. Februar 2022, die Rückeroberung des Donbass und der Krim oder gar ein Regierungswechsel in Moskau, da mit Putin kein Frieden mehr zu machen ist? Die Rhetorik von der Bedrohung des Friedens in Europa und von der Gültigkeit des Völkerrechtes überdeckt, welchen Preis die westlichen Unterstützer der Ukraine dauerhaft aufzubringen bereit sind. Die Annexion der Krim, der Krieg und die Besetzung von Teilen des Donbass hinderten den Westen acht Jahre lang nicht daran, auf ein militärisches Einfrieren des Status quo hinzuwirken statt auf dessen Revision. Die Vermeidung einer direkten militärischen Konfrontation mit Russland genoss und genießt absolute Priorität unter den westlichen Unterstützern der Ukraine. Die Unklarheit über die letztlichen Ziele westlicher Unterstützung der Ukraine, und auch darüber, unter welchen Umständen Putin von seinen maximalen Zielen abzurücken bereit ist, und schließlich, was die unverrückbaren Ziele der Ukraine sind, ermöglicht es nur abzuschätzen, welche Faktoren die einzelnen Szenarien beeinflussen.

Niemand weiß wie lange der Krieg dauern wird. Die Zahl jener, die von einem langanhaltenden Krieg ausgehen, nimmt zu, allerdings auch das Bewusstsein der Risiken eines langen Krieges. Das politische Kapital, mit dem die Ukraine bei ihren Unterstützern rechnen kann, ist jedenfalls begrenzt. Politisch besteht das Zeitfenster für eine vorteilhafte Kriegsbeendigung mutmaßlich bis zum Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes in den USA im Jahre 2024. Der US-Wahlkampf wird die Auseinandersetzung um politische Ausgaben, die Kosten des Krieges und die Resilienz der Anti-Putin-Allianz auf die Tagesordnung setzen. Auch wenn es zu früh ist, Verhandlungen zu beginnen, sollten die Grundlagen in der Gegenwart gelegt werden, andernfalls droht ein schmutziger Frieden oder gar eine Preisgabe der Ukraine durch die westlichen Partner wie schon zuvor in Syrien und in Afghanistan. Die westliche Allianz für die Unterstützung der Ukraine steht und fällt mit der Standfestigkeit der USA, daran hat sich seit den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er-Jahren nichts geändert.

Allgemein gesprochen hängt eine Kriegsbeendigung von den geschätzten Kosten einer Fortsetzung des Krieges, von der Einschätzung der Kräfteverhältnisse, der Glaubwürdigkeit von Zusicherungen und der Akzeptanz von Kompromissen durch die jeweiligen Gesellschaften ab. Das Kriegsende wird maßgeblich von den angestrebten und für realistisch gehaltenen Finalitätsvorstellungen der Konfliktbeteiligten beeinflusst. Doch solange der Kriegsausgang mehrdeutig ist, d. h. nicht zu einem Abgleich der Informationen über die Kräfteverhältnisse führt, geht das Kämpfen weiter, um diese Eindeutigkeit zu erlangen. Die Einschätzung der Kräfteverhältnisse wird von der Selbstwahrnehmung beeinflusst. Selbstbewusste Kriegsparteien stellen höhere Forderungen an die Kriegsbeendigung. Zudem werden Politiker*innen oder Gesellschaften, die sich existenziell bedroht fühlen, weniger nachgiebig sein als jene, die Zweifel am Wert des Engagements für die eigene Sicherheit oder Wohlfahrt hegen. Voraussetzung für eine Kriegsbeendigung wären so die Frustration der russischen Aggressoren und die Stärkung der ukrainischen Selbstgewissheit. Während es für die Ukraine um das Überleben als Staat und Nation geht, also geringe Toleranz für Entgegenkommen zu erwarten ist, ist ungewiss, ob ein Sieg der Ukraine für den Westen dauerhaft essenziell ist, wie in Russland ein Sieg interpretiert wird und ob ein militärischer Sieg zu den vitalen Überlebensinteressen gezählt wird.

Überwiegend Einigkeit besteht unter den westlichen Unterstützern der Ukraine dahingehend, dass die Ukraine militärisch in eine möglichst vorteilhafte Position geraten sollte, aus der heraus allein eine politische Beendigung des Krieges gegenüber Russland verhandelt werden kann. Ukrainische Gewinne und die Demonstration russischer Verwundbarkeit wären demnach Voraussetzungen für Verhandlungen zur Kriegsbeendigung. Im Mittelpunkt der Debatte um ein mögliches Kriegsende stehen zwei Fragen: Warum sollte Putin nachgeben und welche „Garantien“ gäbe es dafür, dass ein Waffenstillstand oder gar ein Frieden hält und nicht nur ein Zwischenstadium für erneute Aggression wird?

Antagonismus statt Kooperation

Der Krieg schafft neue Wirklichkeiten und er löst Annahmen und Strukturen ab, die die Vergangenheit bestimmten, dies gilt auch für Politikansätze, die durch den Krieg obsolet geworden sind. Der Krieg wird nach aller Wahrscheinlichkeit nicht mit einer vollständigen Revision der Kriegsfolgen und einer Rückkehr zum Status quo ante enden, diese Annahme wirkt sich auch auf die Vorstellungen vom Kriegsende aus. Russland zerstörte mit dem Krieg die Illusionen und Mythen der Entspannungspolitik, die seit Ende der 1960er-Jahre die deutsche Politik gegenüber der Sowjetunion und später Russlands prägten. Infolgedessen gehört das Selbstbild als Brückenbauer nach Moskau, als Zivilmacht, die mit Dialog, Diplomatie, Soft Power und Empathie sowie durch wirtschaftliche Verflechtung das Moskauer Regime zu zähmen vermag, der Vergangenheit an. Deutschland ist als Advokat russischer Befindlichkeiten gegenüber den USA und den osteuropäischen EU-Mitgliedern marginalisiert, es büßt damit an Einflussmacht als Vermittler ein, eine Rolle, die zum Teil an die Türkei übergegangen ist. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), obschon seit Jahren nur noch von marginaler Bedeutung, hat als Forum für Dialog und Agentur für Monitoring ebenfalls ausgedient.

Russland hat sich wiederum von einem autoritären Regime mit begrenztem Pluralismus zu einer offenen Diktatur entwickelt. Der Gegensatz zwischen Russland und den westlichen Staaten ist antagonistisch und von abgrundtiefem Misstrauen, von Angst und Abschreckung geprägt. Infolge der Sanktionen und der Bindung seiner Ressourcen mindert sich wiederum Russlands Fähigkeit, Macht in den internationalen Beziehungen zu projizieren. Seine Großmachtattribute sind auf den Besitz von Atomwaffen und die Blockademacht im UN-Sicherheitsrat geschrumpft. Die EU schließlich erhielt die Quittung für eine Östliche Nachbarschaftspolitik, die stets als Alternative zur Mitgliedschaft weiterer postsowjetischer Staaten gedacht war. Die Enttäuschung über ausbleibende Perspektiven bot und bietet einen Nährboden für die Einflussnahme Russlands, der Türkei, Irans und Chinas im postsowjetischen Raum. China gewinnt währenddessen an Verhandlungs- und Gestaltungsmacht, zumindest potenziell.

Ansätze und Dilemmata der Kriegsbeendigung

Gemeinhin enden Kriege mit einem militärischen Sieg, entweder durch Kapitulation der schwächeren Partei, durch Hegemonie, Diktat oder infolge eines Regimewechsels in einem der kriegsbeteiligten Staaten. Das zweite idealtypische Szenario ist ein Abnutzungskrieg, der in einen Stellungskrieg und einen so genannten eingefrorenen Konflikt mündet – ein Zustand zwischen Krieg und Frieden, in dem sich beide auf künftige Revision des Status quo einrichten. Im dritten Szenario wird der Krieg durch externe Mächte mit Hilfe von Power Mediation, starken Anreizen für die Kriegsgegner, durch ein Protektorat oder einen erzwungenen Regimewechsel beendet. Schließlich gibt es die Möglichkeit einer langanhaltenden Rivalität, d. h. ein Vor und Zurück zwischen Krieg und Frieden mit Phasen hoher und Phasen geringer Gewaltintensität.

Grundsätzlich wird jede Kriegsbeendigung von der Art des Konfliktes beeinflusst – handelt er von der Verteilung von Macht und Ressourcen, von Sicherheitsfragen oder Weltanschauungen? Je weniger teilbar die strittigen Güter sind und ideologisch aufgeladener ein Konflikt ist, umso schwerer lassen sich Einigungen erzielen. Die Zahl, Homogenität und innere Stabilität der Gegner wirkt sich ebenfalls auf die Kriegsbeendigung aus – je vielfältiger und zersplitterter die Parteien, umso mehr Vetospieler oder potentielle „Spielverderber“ müssten in einen Friedensschluss eingebunden werden. Die Gegner, insbesondere die angegriffene oder schwächere Partei, erwartet im Ergebnis des Krieges glaubwürdige Sicherheitsgarantien, und zwar oft von externen Akteuren, die sich darüber abstimmen und bei der Durchsetzung zusammenwirken müssen und eines Mandates bedürfen.

Theorien zur Kriegsbeendigung halten die Informationsdynamik im Krieg für entscheidend: Was sind die erwarteten Kosten einer Fortsetzung des Krieges und wie werden die Kräfteverhältnisse eingeschätzt? Eine Partei, die sich als Sieger wähnt, wird für die Beendigung des Krieges mehr verlangen als eine Partei, die sich auf der Verliererstraße sieht. Die Erwartungen und Kalküle zu Kosten und Nutzen einer Fortführung der Kampfhandlungen im Verhältnis zu einem Waffenstillstand oder Friedensschluss beeinflussen somit, ob und wie ein Krieg beendet wird.

Jede Kriegsbeendigung ist mit mindestens fünf Dilemmata konfrontiert. Entweder wird die territoriale Integrität und Souveränität eines Landes gewährleistet oder ein „Land für Frieden“-Deal geschlossen. Der Kampf um Erhalt der territorialen Integrität kann, zweitens, einen langanhaltenden Krieg nach sich ziehen, der dann die ökonomische Lebensfähigkeit des Landes bedroht und den Wiederaufbau extrem kostspielig macht. Der Krieg kann zudem, drittens, mit einem gerechten Frieden, d. h. der Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit enden, oder mit einem Friedensabkommen, das die „Bücher schließt“, also die Kriegsschuldfragen außen vor lässt, beide Seiten rechtlich gleich behandelt oder dem Aggressor sogar Anreize bietet, die Waffen niederzulegen und seine Truppen zu demobilisieren. Darüber hinaus sind sich, viertens, die Kriegsgegner und ihre Unterstützer stets uneins, ob ein langer oder kurzer Krieg zum Vorteil gereicht, man also weiterkämpfen oder sich auf die Festschreibung des Status quo einigen soll. Ebenso lange Zeit herrscht Unsicherheit, wer am Ende Gewinner eines Krieges ist. Von diesem fiktiven Endpunkt aus schauen die Akteure zurück – mit welchem Kriegsergebnis, mit welchem Frieden könnte man leben? Schließlich, fünftens, will keine Seite zuerst Kompromissbereitschaft signalisieren, weil sie als Zeichen der Schwäche ausgelegt und damit für Eskalation seitens des Gegners genutzt werden könnte: Wer zuerst einknickt, verliert – das klassische Game of Chicken.

Theorien der internationalen Beziehungen und der Krieg

Theorien der internationalen Beziehungen implizieren stets Annahmen über die Ursachen von Krieg und damit auch für seine Beendigung. Ohne hier in ziselierte Debatten einzusteigen, liegen für den Realismus die Ursachen für Kriege in Machtungleichgewichten in dyadischen Beziehungen, dem Kampf um Status und Einflusssphären und in fundamentalen Unsicherheiten. Krieg ist folglich entweder unvermeidlich oder er kann durch Interessenausgleich oder Allianzen verhindert werden. Der Krieg gegen die Ukraine ist nach dieser Lesart ein Stellvertreterkrieg zwischen Russland auf der einen und den USA, der NATO, der EU oder dem „kollektiven Westen“ auf der anderen Seite. In der defensiven Lesart des Realismus hätte er verhindert werden können, in der offensiven Lesart war er unvermeidlich. Letztlich argumentieren die defensiven „Realisten“, zu dem auch das Paradigma der Entspannungspolitik gehört, dass der Krieg durch Teilung der strittigen Güter, vor allem die Demarkierung von militärischen und politischen Einflusssphären zwischen Russland und „dem Westen“, zu Ende kommen kann und auch möglichst schnell kommen sollte. Ein baldiger Waffenstillstand ist für defensive Realisten erstrebenswert und zugleich möglich. Der Westen solle darauf drängen, dass die Ukraine einem „Land für Frieden“-Deal zustimmt.

Aus einer konstruktivistischen Perspektive wird im Krieg ein Kampf der Kulturen ausgetragen. Putin vollstreckt demnach ein unversöhnliches anti-westliches Selbst- und Geschichtsbild, während die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer um die Gültigkeit des Völkerrechts und von universellen Normen ringen. In dieser Deutung wird ein Frieden mit Putin unwahrscheinlich, weil er Geisel seines Narrativs ist und in eine tiefe Legitimationskrise stürzen würde, wenn er es aufgäbe – Putin würde seine Glaubwürdigkeit in der eigenen Bevölkerung verlieren. In einer dritten Deutung ist der Krieg eine Fortsetzung der Innenpolitik mit kriegerischen Mitteln, Ausdruck der Macht der verselbständigten Sicherheitsapparate, der Radikalisierung der Autokratie und der inneren Gewaltkultur in Russland. Möglich wären demnach vielleicht ein Waffenstillstand oder begrenzte Abmachungen (z. B. zu Weizenlieferungen oder zum Gefangenenaustausch), aber letztlich könnte der Krieg nur mit einer Niederlage Russlands, die Auslöser für einen Regimewechsel wird, zu Ende kommen. Eine vierte Sicht hält die russische Autokratie für so personenfixiert, dass der Krieg nur durch Putins Entscheidungsmacht ermöglicht und folglich auch nur mit einer Entmachtung Putins zu Ende kommen kann. Das Ende von Putins Herrschaft wäre damit Voraussetzung für die Kriegsbeendigung. Schließlich kann man den Krieg auch systemisch interpretieren, als Interaktion und Kommunikation zwischen Russland, seinen Unterstützern und seinen Gegnern. Demnach agiert das russische Regime nicht „autistisch“, sondern reagiert auf seine internationale Umwelt. Demnach wäre für die Kriegsbeendigung maßgeblich, welche Signale im Kreml wie verarbeitet werden und wie die Gegner des russischen Regimes selbst die Signale Russlands interpretieren und welche Annahmen sie dabei leiten. Keine dieser Sichtweisen schließt andere aus, sie können sich ergänzen, und doch beeinflusst die Präferenz für den einen oder anderen Ansatz die Vorstellung von und das weitere Vorgehen zur Kriegsbeendigung. Grob vereinfacht stehen sich zwei Herangehensweisen gegenüber: „Putin und sein Regime muss weg, zumindest eine Niederlage erleben“ versus „Das Ende muss zügig mit Verhandlungen herbeigeführt werden“.

Krieg der Russen?

Sowohl die Fortsetzung des Krieges als auch ein möglicher Frieden müssen der russischen und der ukrainischen Bevölkerung vermittelt werden. In Russland hat die ausgebliebene Entstalinisierung zu einer Wiederbelegung von Verschwörungstheorien, Einkreisungsängsten und der Suche nach inneren Volksfeinden geführt. Die Sehnsucht nach vergangener Größe, die innere Gewaltkultur, die mediale Propaganda für konservative, nationalistische Werte und der Führerkult mögen zwar nur von einer Minderheit der russischen Bevölkerung aktiv geteilt sein, gleichwohl werden der Mythos vom „Großen Vaterländischen Krieg“, Chauvinismus und imperiale Ambitionen der russisch-orthodoxen Kirche und die Furcht vor Entrussifizierung in ehemaligen Sowjetrepubliken weithin geteilt. Die russische Armee wird von extremen und militanten Nationalisten zu einer erbarmungslosen Kriegsführung angefeuert. Oppositionelle sind derweil im Ausland oder im Gefängnis, während die überwiegende Mehrheit der Russen den Krieg billigend hinnimmt oder opportunistisch zu Mitläufertum neigt.

Eine „Partei des Friedens“ gibt es in Russland derzeit folglich nicht. Die abnehmende Siegesgewissheit nährt indes ein unbestimmtes Bedürfnis nach Kriegsbeendigung, Skepsis gegenüber der politischen Führung und diffuse Ängste vor einer Niederlage. Die staatliche Propaganda könnte vor diesem Hintergrund eine Kriegsbeendigung als Ausdruck des eigenen Friedenswillens präsentieren. Die abnehmende Siegeszuversicht der Bevölkerung, insbesondere in den Großstädten, wäre eine Einflussgröße, die Putins Regime in Rechnung zu stellen hätte.

In der Ukraine wiederum hat die Kriegserfahrung, insbesondere das Massaker von Butscha, die Positionen verhärtet. Verhandlungsbereitschaft, für die Selensky noch 2019 zum Präsidenten gewählt wurde, würde heute als Verrat verstanden. Putins Militär führt demnach einen Vernichtungskrieg mit dem Ziel, die Ukraine als souveränen Staat auszulöschen. Gerade die Massaker an der Zivilbevölkerung am Anfang des Krieges, aber auch die Erfahrungen mit der durchsetzungsschwachen Beobachtermission der OSZE, schließen eine Rückkehr zu den Minsker Vereinbarungen aus. Innenpolitisch wäre eine Kriegsbeendigung in der Ukraine nur dann durchsetzbar, wenn es künftig Sicherheitsgarantien gegen eine Fortsetzung des Kriegszustandes seit 2014 gäbe.

Szenarien und Bestimmungsfaktoren

Theoretisch könnten Russland oder die Ukraine ihre maximalen Ziele erreichen, der Krieg könnte noch internationalisiert werden, indem westliche Staaten entweder zum Opfer russischer Angriffe werden oder sie selbst mit eigenen Soldaten in das Kriegsgeschehen eingreifen, oder ein Abnutzungskrieg mündet in eine anhaltende Rivalität oder einen eingefrorenen Konflikt. Vier Faktoren dürften die Eintrittswahrscheinlichkeit des einen oder anderen Szenarios entscheidend bestimmen, nämlich die Defensiv- und Offensivfähigkeit der Ukraine, die militärischen Ressourcen und die Eskalationsbereitschaft Russlands, die Interessen und Einigkeit der westlichen Partner (USA, Großbritannien, NATO und EU) und schließlich Chinas Interessen und Verhalten gegenüber Russland.

Am Anfang des Krieges herrschten drei Szenarien vor (mit einigen Variationen dann fünf) – Russlands Sieg, ein Sieg der Ukraine oder ein Abnutzungskrieg. Mittlerweile hält der Stellungskrieg schon seit Sommer 2022 an, keine Seite konnte mehr kardinale Geländegewinne verzeichnen. Die Fähigkeit, massive Offensiven durchzuführen scheint begrenzt, jedenfalls ist sie nur an eingegrenzten Frontabschnitten gegeben. Dies könnte sich in Abhängigkeit vom Ressourcennachschub ändern. Es ist unwahrscheinlich, dass Russland seine ursprünglich deklarierten Maximalziele eines Regimewechsels und einer Auslöschung der Ukraine als souveräner Staat erreicht. Politiker*innen und Expert*innen, die einen schnellen Sieg Russlands vorhersagten, haben sich getäuscht. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass die Ukraine vollständig alle seit 2014 eroberten Gebiete zurückgewinnen kann.

Das Ende des Krieges wird einerseits von strukturellen Faktoren beeinflusst, andererseits von politischen Vorstellungen über das Kriegsende. Da das politische, militärische und wirtschaftliche Kapital in der und für die Unterstützung der Ukraine nicht unendlich ist, müssen Vorstellungen über ein angestrebtes und realistisches Kriegsende entwickelt werden, andernfalls droht die wachsende Kriegsmüdigkeit einen schmutzigen Frieden zu präjudizieren. Voraussichtlich wird die Ukraine weder kapitulieren noch wird sie sämtliche russischen Truppen von der Krim oder aus dem Donbass vertreiben können. Voraussetzung für eine Kapitulation der Ukraine wäre die Einstellung westlicher Waffenlieferungen, während die Vertreibung aller russischen Truppen gleichbedeutend mit dem Ende des politischen Regimes in Russland wäre. Dass Russland und die Ukraine ihre Maximalziele erreichen, erscheint nach gegenwärtigem Stand eher unwahrscheinlich. Dass westliche Staaten direkt militärisch eingreifen, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Allerdings können eskalierende Ereignisse, die eine Internationalisierung möglich machen, – sogenannte wild cards – nicht gänzlich ausgeschlossen werden, selbst wenn ihre Eintrittswahrscheinlichkeit derzeit gering ist. Dazu gehören ein russischer Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine, ein nichtintendierter militärischer Zwischenfall jenseits der Grenzen der Ukraine, der zur Eskalation führt, ein massiver russischer Angriff auf die kritische Infrastruktur im Westen, etwa Unterseekabel oder die Stromversorgung, oder die Eröffnung einer zweiten Front, z. B. in Moldawien, bzw. ein Ablenkungskrieg außerhalb der Ukraine.

Was sind mutmaßlich die Minimalziele der Konfliktparteien? Russland betrachtet die Krim und die vier annektierten Gebiete als Teil seines Staatsgebietes, es strebt nach Sicherung der „Landbrücke“ zur Krim, nach Kontrolle des Asowschen Meers als russischem Binnenmeer und danach, die Ausdehnung der NATO-Mitgliedschaft auf die Ukraine zu verhindern. Verhandelbar sind diese Interessen aus russischer Sicht nicht, also könnten sie nur infolge von militärischen Tatsachen revidiert werden. Die zehn Forderungen, die der ukrainische Präsident Selensky als virtueller Teilnehmer vor dem G20-Gipfel Mitte November 2022 vorgetragen hat, legen die legitime ukrainische Ausgangsposition fest, stellen aber keinen Plan für den Frieden dar. Die Ukraine möchte im Mindesten den territorialen Stauts quo von vor dem 24. Februar 2022 wiederherstellen, die Zugänge zum Schwarzen Meer und zum Asowschen Meer bewahren, jegliche künftige Vetomacht Russlands über die ukrainische Innen- und Außenpolitik ausschließen und einen Zustand erreichen, der künftige russische Angriffe hinreichend abschreckt.

Der Westen ist sich darin einig, dass die Ukraine als souveräner Staat überleben können muss und dass es zu vermeiden ist, dass der Krieg auf weitere Staaten ausgedehnt wird. Genauso ist eine direkte Militärkonfrontation oder gar ein Atomkrieg mit Russland unter allen Umständen zu vermeiden. Lange galt auch, dass der Krieg nur auf ukrainischem, also nicht auf russischem Territorium stattfinden dürfe und ein langanhaltender Krieg vermieden werden sollte. Die beiden letztgenannte Positionen werden allerdings nicht mehr so rigoros vertreten wie am Anfang des Krieges, denn die Furcht vor russischer Eskalationsdominanz ist angesichts des seit Sommer letzten Jahres stockenden Vormarsches geschwunden. China ist sich mit dem Westen darin einig, dass ein Atomkrieg und eine Ausweitung des Krieges auf Russland und auf weitere Staaten zu vermeiden ist und die Ukraine als souveräner Staat ein Bestandsrecht hat. Darüber hinaus ist ein langanhaltender Krieg nicht im chinesischen Interesse.

Trotz der chinesischen Rückendeckung für Putin und der willkommenen Ablenkung vom Konflikt mit den USA über Taiwan, gibt es folglich relevante Schnittstellen zwischen den westlichen und chinesischen Interessen. Die USA und China könnten auf eine Begrenzung der Kriegsziele ihres jeweiligen Verbündeten drängen, wenn sie dessen militärisches Potential und die eigene Unterstützung einschränken und auf ein Einfrieren des Gewaltkonfliktes drängen. Voraussetzung dafür wären ein Sieg der „America first“-Fraktion in den USA bei den kommenden Präsidentschaftswahlen und die Akzeptanz Chinas als Vermittler durch den Westen.

Grundsätzlich könnten die Konfliktparteien von ihren sich wechselseitig ausschließenden Maximalzielen abrücken, wenn die Hoffnungen auf einen Sieg schwinden (das ist bei beiden Seiten bisher nicht gegeben), wenn der Aufwand für die Fortsetzung des Krieges unerträglich wird, und zwar durch Kriegsschäden, die Umstellung auf die Kriegswirtschaft und die Sanktionen gegen Russland, und wenn es Aussichten auf eine robuste Friedenssicherung in der Nachkriegszeit gibt.

Eine Minimierung der Kriegsziele würde allerdings nur dann eine Kriegsbeendigung näher rücken lassen, wenn sie symmetrisch verliefe, denn gingen der Ukraine die Waffen aus, würde Russland seine Kriegsziele nur ausweiten, während umgekehrt die Ukraine ihre Kriegsziele in Abhängigkeit von schwindenden russischen Kriegsressourcen und Machtkämpfen zwischen den Sicherheitsorganen ausweiten dürfte. Eine Drosselung von Waffennachschub würde nur die Kriegsziele der schwächeren Partei begrenzen und damit zum Sieg der stärkeren Partei beitragen.

Die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit hat eine dauerhafte Rivalität mit Phasen intensiver und Phasen reduzierter Gewaltintensität; im besten Fall würde er in einen „eingefrorenen Konflikt“ übergehen. Allerdings sind „eingefrorene Konflikte“ nur so lange stabil, wie keine Seite den Status quo einseitig militärische revidieren kann. Ohne Regeln für den Modus vivendi sind „eingefrorene Konflikte“ eher Vorspiel für den nächsten Krieg. Die militärische Konfrontation wird einstweilen anhalten, die Rivalität (enduring rivalry) könnte sich noch mehrere Jahre hinziehen. Die Ukraine wird die russische Verwundbarkeit beim Nachschub, in den okkupierten Teilen des Donbass und auf der Krim so lange erhöhen, bis die Aussichtslosigkeit eines weiteren Vorrückens und die Erschöpfung russischer Ressourcen unabweisbar wird. Russland wird weiterhin Teile der Gebiete von Donezk, Lugansk, Cherson, und Saporischja kontrollieren, freilich ohne wirksame Befriedung dieser Gebiete.

Sollbruchstellen

Wenn es kaum gerechte und rechtliche Gründe dafür gibt, von der Ukraine die Preisgabe ihrer angegriffenen Souveränität und territorialen Integrität zu verlangen, bleibt die zentrale Frage, warum und wie Russlands Regime dazu gebracht werden könnte, seine Kriegsziele zu minimieren oder aufzugeben. In jedem Krieg gibt es einen Wendepunkt, einen Breaking Point, meist können ihn allerdings nur Historiker*innen im Nachgang definitiv ausmachen. Die Grenzen des Nachschubs an Waffen, an Munition und die schwer beschädigte Abstimmung zwischen den russischen Organisatoren der Gewalt können das Blatt in Russland wenden, weil die Elitenkohäsion aufbricht, die öffentliche Stimmung kippt und die „Realisten“ den Weltanschauungstätern in den Arm fallen. Der Krieg ist schon heute nicht mehr populär, die Rückendeckung oder billigende Hinnahme wird in den nächsten zwölf Monaten weiter schwinden. Die Sanktionen werden trotz ihrer vielfältigen Umgehung den Lebensstandard spürbar einschränken und zu einer Rezession führen. Die Rivalitäten und Schuldzuweisungen zwischen den „Siloviki“, d. h. den Vertreter der Machtministerien, nehmen an Schärfe zu, auch die Spannungen zwischen dem Zentrum und den Regionen.

Eine Revolution von unten ist unwahrscheinlich, denn die russische „Zivilgesellschaft“ ist entweder im Exil, im Gefängnis oder in der inneren Emigration. Gelegenheiten für politischen Wandel in Russland sind historisch nur infolge von Niederlagen entstanden. Es gehört zum historischen Repertoire der Möglichkeiten, dass russische Führungseliten aus Gründen des heimischen Machterhalts dem Kriegsgegner nachgeben, dies galt für den Friedensvertrag von Brest-Litowsk in 1918, für den Winterkrieg 1939/1940 gegen Finnland, für den Abzug aus Afghanistan in den Jahren 1987/1988 und für die Beendigung des ersten Krieges gegen Tschetschenien im Jahre 1996. Ein Abfall Chinas und jener postsowjetischen Staaten, mit denen Russland bisher enge Beziehungen pflegte, würde die Isolation vertiefen.

Gegen das Szenario einer Elitenspaltung sprechen allerdings gewichtige Faktoren: Der Krieg findet bisher nur auf ukrainischem Territorium statt, wird also in Russland physisch nur begrenzt erlebt. Die Siloviki bilden die Machstützen und Profiteure des Regimes – ihr Geschäftsmodell bräche mit dem Ende der putinschen Herrschaft zusammen, sie haben durch einen Regimezusammenbruch viel zu verlieren und sind unsicher, ob es einen Moment gibt, an dem sie sich von Putin absetzen sollten, weil sie auch nicht mit ihm untergehen wollen, die Unsicherheit lässt sie eher abwarten. Putin wiederum ist Gefangener seiner Weltanschauung und der deklarierten Ziele, deren Preisgabe zu Legitimationsverlust führen würde. Zudem ist seine Risikobereitschaft hoch, auch die Bereitschaft, sein Land einen extremen hohen Preis für den Krieg zahlen zu lassen. Die umfassende Repression, die Lethargie und die Opferbereitschaft verhindern Widerstand von unten. Schließlich mag Putin spekulieren, dass die politische Unterstützung des Westens auf Dauer begrenzt ist und er länger durchalten kann als die westlichen Demokratien.

Friedensabkommen

Friedensabkommen, die nicht auf einem militärischen Sieg basieren, sind voraussetzungsreich – die Gegner müssen erschöpft sein, Frieden muss mehr Sicherheit bieten als Krieg und die Lasten spürbar reduzieren. Kriege mit begrenzten Zielen sind leichter zu beenden als Fundamentalkonflikte. Schließlich spielen dritte Parteien meist eine entscheidende Rolle für Friedensabkommen, indem sie den Parteien drohen oder starke Anreize für die Kriegsbeendigung anbieten. Ein Friedensabkommen müsste die Art der künftigen Sicherheitsgarantien für die Ukraine klären, die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen, das Recht auf Rückkehr, die Art der Reparationen, den Status der Krim und Separatistengebiete, den Wiederaufbau, die Grenze zwischen Russland und der Ukraine, die Art der Friedenssicherung mit internationaler Beteiligung an der künftigen „Kontaktlinie“ und die Bündniszugehörigkeit der Ukraine.

Ein zentrales Thema in den öffentlichen Debatten betrifft die Nachkriegsordnung für Europa. Einige Beobachter*innen halten Verhandlungen zur Kriegsbeendigung nur im Rahmen einer neuen europäischen Sicherheitsordnung für aussichtsreich, d. h. der Begrenzung von Nuklearwaffen, konventioneller Rüstungsbegrenzung, Abrüstung und wirtschaftlicher Verflechtung. Die Kriegsbeendigung würde so mit einer Agenda aufgeladen, die in den letzten drei Jahrzehnten nicht umgesetzt wurde und infolge des Krieges noch weniger Chancen auf Umsetzung hat. Der Krieg würde extrem lang dauern, wenn er mit einer Wiederbelebung der Charta von Paris von 1990, Rüstungskontrolle und vertrauensbildenden Maßnahmen enden sollte.

Andere argumentieren dagegen für einen weitgehend voraussetzungslosen Waffenstillstand ohne Sicherheitsgarantien und für eine Entkopplung des Kriegsendes von der künftigen EU- und NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Russland würden einem solchen Ansatz zufolge substanzielle Gebietsgewinne, dem Frontverlauf entsprechend, zugesprochen. Henry Kissinger wiederum argumentiert, dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine die einzige vernünftige Sicherheitsgarantie sein könne, um eine künftige Revision der suboptimalen Kriegsergebnisse zu verhindern; zugleich argumentiert er für einen Ausgleich mit China und für eine Annäherung (rapprochement, nicht detente) Europas an Russland. Dem entgegen steht die Neutralität der Ukraine als Angebot an Russland. Neutralität ist jedoch keine Option mehr – sie bestand seit 1994 und wurde von Russland gerade nicht geachtet. Die NATO-Mitgliedschaft wird ein Ergebnis der Nachkriegsordnung sein, jedoch nicht ein Mittel der Kriegsbeendigung, da die NATO-Staaten nicht bereit sind, selbst das Kriegsende gegen Russland zu erkämpfen.

Bevor es zu konkreten Verhandlungen kommt, d. h. Diplomatie tätig wird, dürfte viel Zeit damit vergehen, die Ausgangspositionen und die Ansatzhöhe der jeweiligen Vorstellungen und Ansprüche zu klären. Schon das Format solcher Vorklärungen wird diplomatisches Geschick erfordern: Wer sollte beteiligt sein, wem gebührt die Rolle des Agenda-Setters, des Sherpas, wer ist autorisiert zu sprechen, wer könnte ein Spielverderber sein? Ein allzu großes Format bleibt erfahrungsgemäß ergebnislos, ein allzu exklusives Format, z. B. ein Diktat durch zwei oder drei Großmächte, wird voraussichtlich sabotiert. Das alte Normandie-Format unter Beteiligung von Russland, der Ukraine, Deutschland und Frankreich lässt sich nicht reanimieren, denn Deutschland und Frankreich sind nun einerseits Partei, andererseits verfügen sie eigenständig über keinen Hebel weder gegenüber Russland, noch der Ukraine. Eine Vermittlerrolle könnten am ehesten China, die Türkei, Indien oder Brasilien spielen, allerdings nur, wenn sie auch aktiv Lösungsvorschläge unterbreiten, andernfalls bleibt die Friedensrhetorik wohlfeil. Ob die USA einem der genannten Länder, v. a. China, die Vermittlerrolle zugestehen, hängt von der grundsätzlichen Bereitschaft zum Interessenausgleich, anstelle einer sich zuspitzenden Konfrontation, mit China ab. Solange in den USA die Rivalität mit China letztlich für bedeutsamer gehalten wird als der vermeintlich lokal begrenzte Konflikt mit Russland, dürften die USA eine aktive Rolle Chinas eher sabotieren.

Ausblick

Die Kriegsbeendigung kann nicht von der tatsächlichen Mitgliedschaft der Ukraine in der EU und der NATO abhängig gemacht werden, selbst wenn diese Mitgliedschaften längerfristig die einzige stabile Sicherheitsgarantie für die Ukraine sein werden. Zudem wird die Kriegsbeendigung nicht an den Kollaps des putinschen Regimes geknüpft werden können, selbst wenn Russlands Rückkehr in die Völkergemeinschaft längerfristig von einem Wechsel des politischen Regimes abhängt, von Gewaltenteilung und Institutionenvertrauen, da sich andernfalls die Gewaltkultur im Innern dauerhaft in äußere Aggression übersetzen wird. Die Kriegsziele können nur infolge von Sicherheitsgarantien, an denen China und die USA mitwirken, begrenzt werden.

Die westlichen Unterstützer sollten zusammen mit der Ukraine politische Vorstellungen von der Nachkriegsordnung und den Inhalten eines Friedensabkommens entwickeln, bevor die Diplomatie in ihr Recht tritt. Für diese Finalitätsvorstellungen bedarf es politischen Rückhalts in der Ukraine und in Russland, d. h. Friedensallianzen, die bereit sind, die Bedingungen des Friedens gegenüber der eigenen Bevölkerung und dem eigenen Politestablishment zu vertreten. Extreme Nationalisten, die infolge des Krieges Oberhand gewonnen haben, müssten in ihrer hegemonialen Diskursmacht durch einen Kampf um Köpfe und Herzen zurückgedrängt werden. Wie in anderen Kriegen auch, muss die Nachkriegsordnung öffentlich vertretbar sein und nicht als Verrat gelten.

In der Zwischenzeit kann es begrenzte Abmachungen geben, und zwar über den Gefangenenaustausch, Weizenlieferungen über das Schwarze Meer oder das Atomkraftwerk von Saporischja. Durch begrenzte Abmachungen können Vermittlungs- und Kommunikationskanäle etabliert und möglicherweise begrenzte Erwartungsverlässlichkeit erreicht werden. Ein Zwischenschritt könnte ein internationalisiertes Übergangsregime in jenen fünf Gebieten der Ukraine sein, die derzeit von Russland zumindest teilweise kontrolliert werden. Nötig wäre eine militärische Entzerrung der Konfliktparteien, d. h. international überwachte Deeskalations- oder Pufferzonen ohne schwere Waffen. Infolge einer Kriegsbeendigung könnten sich die Parteien zumindest auf einen Gewaltverzicht einigen, d. h., dass die Grenzen nicht gewaltsam verändert werden. Der Gewaltverzicht bedürfte robuster Durchsetzung im Falle der Verletzung.
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Autor: Heinemann-Grüder, A., „Wie enden Kriege? Einsichten für den Ukrainekrieg“, ZFAS – Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik (2023), Literaturverweise siehe dort, als Open Access | CC BY 4.0 |
DOI: 10.1007/s12399-023-00959-3