Erwerbsbeteiligung von Frauen – kulturbedingte Unterschiede
Migrantinnen: Fachkräftemangel reduzieren!
Der demografische Wandel wird in Deutschland, wie in den meisten EU-Ländern in den nächsten Jahren, den Fach- und Arbeitskräftemangel in unbekanntem Ausmaß vergrößern. Bereits heute behindert der Fachkräftemangel laut dem KfW-ifo-Fachkräftebarometer (KfW Research, 2023) fast jedes zweite Unternehmen und wird langfristig die Nachhaltigkeit der sozialen Sicherungssysteme gefährden. In vielerlei Hinsicht wird nun versucht, eine effizientere Nutzung des inländischen Arbeitskräftepotenzials zu realisieren – dies ist wohl die einzige positive Auswirkung des Fachkräftemangels. Neben Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitszeitausweitungen sowie der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Älteren und Frauen, kommt der besseren Arbeitsmarktintegration von Migrant:innen eine hohe Relevanz zu. Hier sollte vor allem Frauen, die zu einem hohen Anteil über qualifizierte Abschlüsse verfügen, mehr Aufmerksamkeit zukommen.
Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung von in Deutschland geborenen Frauen, mit und ohne Migrationshintergrund, lassen sich zu ca. 20 % nicht durch beobachtbare Gruppenunterschiede (z. B. im Bildungsniveau) erklären. Große Unterschiede ergeben sich vor allem zwischen inländischen und zugezogenen Frauen; unter Zugezogenen fallen bei der Erwerbsbeteiligung zudem die Geschlechterunterschiede höher aus. Da zugezogene Frauen neben Integrationsbarrieren für gewöhnlich deutlich höhere Sorgepflichten als ihre Partner haben, sich Barrieren der Nutzung von externen Kinderbetreuungs- und anderen Unterstützungsmöglichkeiten gegenübersehen und seltener auf die Hilfe von Familienangehörigen zurückgreifen können, ergibt sich für sie eine mehrfache Benachteiligung.
Unter den Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2018 nach Deutschland gekommen sind, lag die Erwerbsbeteiligung der Frauen 2021 gemäß der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten (2023) mit 17 % um 53 Prozentpunkte unter der der Männer (mit 70 %). Der Geschlechterunterschied im Anteil an Personen ohne Qualifikation beträgt für diese Gruppe demgegenüber nur 9 Prozentpunkte, sodass genderbezogene Faktoren hier wahrscheinlich stark zum Tragen kommen. Auch die hohen Anteile an Frauen unter den ukrainischen Geflüchteten werden sich diesen genderbezogenen Barrieren meistens gegenübersehen. Da viele über qualifizierte Berufs- und Hochschulabschlüsse verfügen, stellen sie ein Potenzial zur Reduzierung des Fachkräftemangels dar. Viele deutsche Ausbildungsberufe werden in der Ukraine an Hochschulen erworben. Aufgrund des Transfers von Bildungsabschlüssen wird die Arbeitsmarktintegration daher jedoch noch Zeit in Anspruch nehmen.
Auch wenn der Mobilisierung und Aktivierung der inländischen Potenziale Priorität eingeräumt wird, hat die Bundesregierung mit gesetzlichen Änderungen zur Erleichterung des Erwerbszuzugs von Drittstaatsangehörigen im Rahmen der Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) im Jahr 2020 und der nun beschlossenen Weiterentwicklung deutlich gemacht, dass inländische und auch innereuropäische Arbeitskräftequellen nicht ausreichen werden, um den negativen Folgen des demografischen Wandels entgegenzuwirken. Erste Ergebnisse auf Basis der IAB-SOEP-Migrationsstichprobe (2023) zeigen, dass der Anteil der Frauen, die aufgrund der eigenen Erwerbstätigkeit – also nicht wie üblich im Familienzuzug – aus Drittstaaten nach Deutschland gekommen sind, mit Einführung des FEG gestiegen ist und ihre Erwerbsbeteiligung höher ausfällt als unter Frauen, die vor Einführung des FEG zu Erwerbszwecken zugezogen sind. Die befragten Frauen sind zu 86 % 35 Jahre oder jünger, leben fast alle ohne minderjährige Kinder und arbeiten nahezu alle in Vollzeit.
Im zuletzt veröffentlichten Migration Outlook 2023 betont die OECD (2023), dass der Genderdimension der Migration mehr Aufmerksamkeit zukommen muss und die Migrations- und Integrationspolitik zu häufig geschlechterblind, wenn nicht sogar implizit auf Männer fokussiert war. Ohne entsprechende gendersensible Migrations- und Integrationsmaßnahmen besteht derzeit für Deutschland die Gefahr, dass positive Effekte des FEG nicht nachhaltig sind und sich langfristig alte Barrieren verfestigen. Da die Existenz von Kindern höhere negative Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung von Migrantinnen als von deutschen Frauen hat, sind der Ausbau von Kinderbetreuungsmaßnahmen, der Abbau von Barrieren diese in Anspruch nehmen zu können sowie eine allgemein bessere Integration vor allem von zugezogenen Frauen von hoher Relevanz.
_________________________________
Autorin: Fendel, T., „ Migrantinnen: Fachkräftemangel reduzieren! “, Wirtschaftsdienst, 103. Jahrgang., Heft 11, 2023, Seite 725, Anmerkungen und Literaturverweise siehe dort, als Open Access | CC BY 4.0 | DOI: 10.2478/wd-2023-0199
Der vorstehende Beitrag dient zur Einleitung in das Thema und liefert erste Informationen.
Nachfolgend haben Sie im Kommentarbereich die Möglichkeit, sich mit anderen interessierten Nutzern auszutauschen und Ihre Sichtweise zu erläutern.
Diskutieren Sie gerne mit!