Deutsch-russische Schicksalsgemeinschaft

Unmittelbar nach Beginn des Kriegs in der Ukraine hat die Bundesregierung beschlossen, unabhängig von russischen Rohstoffen zu werden. Die Begründung: Die in den vergangenen Jahrzehnten entstandene Abhängigkeit sei ein großes Problem für die Sicherheit der Energieversorgung hierzulande – und auch für Gesamteuropa.

In der Folge haben verminderte Abnahme- und reduzierte Liefermengen zu Preisanstiegen geführt. Das ist zunächst eine ganz normale Reaktion des Marktes. Tatsache ist auch, dass Privathaushalte und die deutsche Wirtschaft zukünftig noch viel stärker leiden werden, wenn es nicht gelingt, die weggefallenen Rohstoffmengen zur Energieerzeugung – zu ertäglichen Kosten – zu kom­pensieren. Aus eigenen Ressourcen wird das nicht gelingen.

Deutschland braucht mehr Energie

Fossile Energieträger werden – auch wenn sie bei uns ohnehin nur in begrenztem Umfang verfügbar sind – aus ideologischen Gründen abgelehnt. Die Weiternutzung oder gar ein Ausbau der Kernkraft ist ebenfalls nicht vorgesehen, da insbesondere die Endlagerung des radioaktiven Abfalls zu umstritten ist. Erneuerbare Energien können bestenfalls einen Teil der Energieversorgung sichern. Sie lösen zudem neue Probleme aus, die ein zunehmender Teil der Bevölkerung nicht (mehr) bereit ist zu tragen. Insbesondere die Beeinträchtigungen durch den Ausbau der Windenergie und die Versiegelung landwirtschaftlicher Flächen durch Photovoltaikmodule werden immer weniger akzeptiert.

Seit dem Frühjahr 2022 versucht die Bundesregierung deshalb, weltweit Alternativen für die jetzt fehlenden russischen Gasmengen zu eruieren und durch neue Lieferverträge langfristig zu sichern. Die hierbei aktuell favorisierte Energieform ist Flüssiggas (NLG), und neuerdings auch Wasserstoff. Qatar, Norwegen, Algerien, Aserbaidschan, Australien, Kanada – die Liste ist politisch durchaus heterogen und die Länder oft sehr weit entfernt.

Es stellt sich die Frage, ob durch die neuen Partner nicht einfach nur eine Verlagerung der Abhängigkeit entsteht. Und wenn dem so ist, dann muss man zwangsläufig hinterfragen, wie problematisch die neuen Abhängigkeiten sind – oder in Zukunft noch werden könnten. Die Bedenken und Proteste der Menschen bei uns, und auch in den neuen Lieferländern, scheinen die Politik zumindest nicht zu beeindrucken.

Alternativlose Selbstverpflichtung

Für die derzeitige Bundesregierung ist der Weg alternativlos. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland sollen endgültig gekappt werden Die Abhängigkeit vor allem von russischem Erdgas hätte nie entstehen dürfen, da sich jetzt zeige, dass die russische Regierung in der Lage – und auch bereit – sei, Deutschland durch eine Reduzierung der Liefermengen zu erpressen.

Aber gab es überhaupt einseitige Abhängigkeiten – oder waren es nicht stets gegenseitige Abhängigkeiten, also vielmehr eine „Schicksalsgemeinschaft“. Der Unterschied in der Begrifflichkeit sollte uns interessieren.

Bei einer einseitigen Abhängigkeit unterstellt man, dass der abhängige Partner keine Alternative(-n) habe, der andere Partner aber durchaus – ohne relevante Probleme – auf die (Vertrags-)Partnerschaft verzichten könne.

In einer Schicksalsgemeinschaft hingegen erwächst eine gegenseitige Abhängigkeit. Unter Vernunftsgesichtspunkten kann es deshalb für keinen der Beteiligten sinnvoll sein, die Gemeinschaft zu beenden, da er sich damit zwangsläufig selbst schadet.

Wunsch und Realität

Deutschland war abhängig von russischen Energielieferungen. Die verhängten Sanktionen und der Ankündigung, die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland beenden zu wollen, zielten darauf, Russland zu schaden. Wäre die Abhängigkeit Deutschlands einseitig gewesen, dann hätten diese Maßnahmen keine Wirkung entfalten können. Insofern wäre es sogar in zweierlei Hinsicht unklug gewesen, Sanktionen zu verhängen. Die eigene Energieversorgung wird gefährdet, die beabsichtigte Wirkung bleibt aus.

Sofern die Bundesregierung aber wie verlautbart davon ausging, dass ihre Maßnahmen die russische Wirtschaft, die russische Regierung und das russische Volk in die Knie zwingen würden, ist sie offensichtlich davon ausgegangen, dass die bisherigen Beziehungen gerade keine einseitige Abhängigkeit darstellten, sondern eine für beide Seiten existenziell wichtige Schicksalsgemeinschaft waren.

In eine solchen Konstellation konnte sie aber davon ausgehen, dass Russland keinerlei Interesse daran hatte, die Beziehungen zu gefährden – weder durch Vertragsstörungen noch durch politische Erpressung o.ä.. Russland war über Jahrzehnte hinweg ein zuverlässiger Rohstofflieferant. Das galt sowohl für die nachgefragten Liefermengen als auch bzgl. der Vereinbarung akzeptabler Abgabepreise.

Die Schuldfrage

Die Aufkündigung dieser Beziehung wurde einseitig von der Deutschen Bundesregierung (und der EU-Kommission) ausgesprochen. Unabhängig von der faktischen oder moralischen Beurteilung der Geschehnisse in der Ukraine trägt Russland keine unmittelbare Verantwortung für die prekäre Energie­(-kosten-)situation, mit der die deutsche Wirtschaft und die Privat­haushalte derzeit konfrontiert sind.

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