Deutschlands Familienpolitik
im internationalen Vergleich

Die familienpolitische Debatte hat sich in den OECD-Ländern über die vergangenen Jahrzehnte stark verändert. Der demografische Wandel mit alternden Bevölkerungen und einem Rückgang der Geburtenraten ist dabei ein wichtiger Faktor, genauso wie die Bestrebungen, Frauen stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren, die Partnerschaftlichkeit in unbezahlter Arbeit zu fördern, allgemein gleichstellungspolitische Ziele zu verfolgen, sowie Kinder- und Familienarmut zu bekämpfen. Gleichzeitig hat die COVID-19-Pandemie die Notwendigkeit einer besseren Work-Life-Balance, flexibleren Arbeitsmodellen und die Bedeutung unbezahlter Arbeit hervorgehoben.

Familienpolitische Zielsetzungen

Ein OECD-Vergleich zeigt, dass die Ziele und die Ausrichtung der Familienpolitik sehr unterschiedlich sein können. So zielt die Familienpolitik in manchen Ländern, die schon heute stark vom demografischen Wandel betroffen sind, vor allem darauf ab, die Geburtenraten zu steigern und das Bevölkerungswachstum zu erhöhen. Dies ist besonders in Japan und Südkorea der Fall, aber auch in einigen mittel- und osteuropäischen Ländern, wie beispielsweise Polen und Ungarn. Dabei geht es häufig um finanzielle Anreize für Eltern und weniger um soziale und arbeitsmarktpolitische Reformen, die auf die strukturellen Ursachen für niedrige Geburtenraten abzielen. In Japan und Südkorea gibt es zwar auch Maßnahmen für eine stärkere Beteiligung von Vätern in der Kindererziehung und zum Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung – allerdings bleibt die primäre Zielsetzung die Erhöhung der Geburtenraten und weniger die Gleichstellung in Beruf und Familie. In Polen und Ungarn werden schwerpunktmäßig traditionelle Familienstrukturen und Werte gefördert. Dementsprechend richten sich die familienpolitischen Maßnahmen an verheiratete Paare, es werden lange Elternzeiten gewährt oder besondere Leistungen an größere Familien vergeben. Auch Frankreich verfolgt traditionell eine pro-natalistische Politik, die neben finanziellen Anreizen zu größeren Familien allerdings auch gleichstellungspolitische Zielsetzungen anstrebt.

In Skandinavien dagegen zielt die Familienpolitik schon lange vor allem auf eine stärkere Einbindung von Frauen in den Arbeitsmarkt ab, wobei es gleichzeitig Familien ermöglicht werden soll, so viele Kinder wie gewünscht zu haben. Familien werden daher nahtlos durch Elternzeit-Angebote, umfangreiche Kinderbetreuung sowie flexible Arbeitszeitmodelle unterstützt. In Skandinavien – aber auch z. B. in Deutschland, Kanada und Portugal – versucht die Familienpolitik außerdem traditionelle Familienbilder aufzubrechen mittels Anreizen für Väter, Elternzeit zu nehmen, des Abbaus von Barrieren zur Arbeitsmarktbeteiligung und eines beruflichen Fortkommens von Frauen. Anglofone Länder setzen dagegen häufiger auf einkommensabhängige Leistungen und flexible Arbeitsmodelle, um Frauen stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren – allerdings geschieht dies oft in Teilzeit.

Die Überschneidung von Zielen der Familien- und Gleichstellungspolitik, insbesondere in Bezug auf die geschlechtsspezifische Lohnlücke und Altersarmut, hat in den vergangenen Jahren weiter an Bedeutung gewonnen. Die beschriebenen familienpolitischen Reformen spielen eine entscheidende Rolle für die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und können damit auch zur Schließung der geschlechtsspezifischen Lohnlücke beitragen. In den vergangenen Jahren haben einige OECD-Länder zusätzlich auch Entgelttransparenzinitiativen eingeführt, die den Blick auf Lohnunterschiede in Unternehmen lenken und Anreize setzen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu zahlen.

Familienpolitische Maßnahmen und ihre Ergebnisse
Anreize zur Anhebung der Geburtenraten

Wie bereits beschrieben, versuchen einige OECD-Länder aktuell mit direkten finanziellen Anreizen, Einfluss auf die Geburtenraten zu nehmen. Allerdings zeigen Studien, dass die Auswirkungen von Geldtransfers je nach Land variieren und es zumeist nicht gelingt, die Geburtenraten nachhaltig zu erhöhen. In Ungarn z. B. stabilisierten solche Zahlungen, welche zum Teil als Eigenheimzuschüsse ausgezahlt wurden, unter erheblichen fiskalischen Kosten die Geburtenrate, jedoch ohne dem anhaltenden Bevölkerungsrückgang entgegenzuwirken. In Polen hat das „500 Plus“-Kindergeld die Geburtenrate zwar temporär stabilisiert, aber gleichzeitig wurden die Anreize zur Erwerbstätigkeit von Müttern reduziert. Oft zeigen solche Maßnahmen nur vor­übergehend Wirkung, wie Beispiele aus der Schweiz und Spanien zeigen, wo die Effekte solcher Programme entweder schnell verschwanden oder die Geburtenrate deutlich stärker sank, sobald die Maßnahmen wieder eingestellt wurden. Finanzielle Anreize können auch mit anderen familienpolitischen Maßnahmen interagieren, wie z. B. in Norwegen, wo die Einführung eines Betreuungsgeldes die Geburtenrate einiger Mütter verringerte, da der Rückzug vom Arbeitsmarkt zu einem Verlust des Anspruchs auf Elternzeit führte.

Besonders Japan und Südkorea haben in den vergangenen Jahren die Steigerung der Geburtenrate als eindeutiges Ziel der Familienpolitik festgelegt. Südkorea, wo die Geburtenrate mittlerweile bei 0,78 Kindern liegt, hat z. B. die Ausgaben für öffentliche Familienleistungen stark erhöht, um unter anderem ein umfassendes Kinderbetreuungssystem aufzubauen. Dennoch konnte der Abwärtstrend der Geburtenraten nicht gestoppt werden, da andere Faktoren, wie weiterhin konservative gesellschaftliche Normen mit weitreichenden Konsequenzen für Mütter, Arbeitsmarktdualismus und hohe Kosten für die Kindererziehung, nicht strukturell angegangen wurden.

Elternzeit für Väter

Mit Ausnahme der USA gibt es in allen OECD-Ländern einen Anspruch auf bezahlte Freistellung vor und nach der Geburt eines Kindes, zumeist als Mutterschutz- und Vaterschaftsfreistellung sowie Elternzeit. Die Elternzeit ist oft ein familienbasierter Anspruch; das bedeutet, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt nur ein Elternteil Elterngeld beziehen darf. Um die Inanspruchnahme von Elternzeit durch Väter und eine gleichmäßigere Verteilung familiärer Verantwortlichkeiten zu fördern, haben einige Länder einen nicht übertragbaren Teil der Elternzeit ausschließlich für Mütter und Väter reserviert.

Individuelle Elternzeitansprüche waren schon seit den 1990er Jahren in skandinavischen Ländern verbreitet und wurden dort seither sukzessive erweitert. In Island haben z. B. beide Eltern heute sechs Monate reservierte Elternzeit (von denen nur sechs Wochen transferiert werden können). Dänemark macht hier eine Ausnahme, da eine 1997 eingeführte Vaterquote nach einen Regierungswechsel 2002 abgeschafft und erst 2022 wieder eingeführt wurde. Andere Länder wie Kanada und Deutschland haben „Bonus“-Wochen eingeführt, d. h. zusätzliche Wochen bezahlter Elternzeit, falls beide Eltern einen bestimmten Anteil des Familienanspruchs nutzen. Wenn die Familie die maximale Bezugsdauer nutzen möchte, ist eine bestimmte Zahl von Wochen effektiv für Väter oder Partner „reserviert“. Die wichtigsten Änderungen in der Gestaltung der Elternzeit aber ergeben sich aus der EU-Work-Life-Balance-Richtlinie. Diese sieht seit August 2022 mindestens zehn Arbeitstage Vaterschaftsfreistellung sowie ein individuelles Recht auf vier Monate bezahlter Elternzeit vor, wovon mindestens zwei Monate nicht übertragbar sind.

Obwohl individuelle Elternzeitansprüche theoretisch zum Abbau sozialer Normen in Bezug auf bezahlte und unbezahlte Arbeit beitragen können, nehmen Männer zumeist wesentlich seltener Elternzeit in Anspruch als Frauen – und auch über deutlich kürzere Zeiträume (Quelle: OECD-Familiendatenbank). Auch in Skandinavien, wo Väter die Elternzeit relativ häufig nutzen, nehmen Väter selten mehr Elternzeit als ihnen zugeschrieben wird, während der flexible Anteil weiter überwiegend von den Müttern genutzt wird. Unabhängig davon zeigt Abbildung 1, dass ein längerer individueller Anspruch auf Elternzeit mit höheren Väteranteilen an der Elternzeit einhergeht. In Ländern ohne individuelle Elternzeitanteile, wie z. B. Australien, Neuseeland, Polen und der Tschechischen Republik, liegt der Väteranteil unter 5 %.

Abbildung 1
Länder mit längeren individuellen Elternzeitansprüchen haben höhere Väteranteile
 Länder mit längeren individuellen Elternzeitansprüchen haben höhere Väteranteile

Da die Vergütungssätze in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind, werden die Ansprüche als äquivalent für vollen Einkommensersatz angegeben, d. h. als Dauer des bezahlten Urlaubs in Wochen, wenn er zu 100 % des früheren Einkommens bezahlt würde. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2021 oder aktuellste verfügbare Daten (siehe Indikator PF2.2).

Quelle: OECD-Familiendatenbank.

Nichtsdestotrotz können Väteranteile auch bei besonders langen individuellen Ansprüchen auf bezahlte Elternzeit niedrig sein. Japan und Südkorea z. B. gewähren Vätern und Müttern jeweils etwa ein Jahr an individueller Elternzeit und trotzdem sind Väteranteile gering. Dies liegt einerseits an einer Stigmatisierung von Vätern am Arbeitsplatz, wenn sie Vaterzeit nutzen, aber auch an weiter bestehenden sozialen Normen zu Geschlechterrollen bei der Kinderbetreuung und unbezahlter Arbeit. Allerdings steigen Väteranteile auch in diesen Ländern seit einigen Jahren kontinuierlich, was darauf zurückzuführen ist, dass in den vergangenen Jahren stärkere Anreize zur Väterbeteiligung geschaffen wurden, um die Geburtenraten zu erhöhen. Ein weiterer Grund für die geringe Beteiligung von Vätern ist, dass sie oft mehr verdienen als Frauen und der Familie deshalb Einkommensverluste entstehen würden, wenn ihre Einkommen nicht angemessen ersetzt würden. In Frankreich und Luxemburg haben Väter auch ein individuelles Recht auf mindestens ein halbes Jahr bezahlte Elternzeit. Durch niedrige Ersatzleistungen ist der Väteranteil in Frankreich trotzdem sehr niedrig, während Väter in Luxemburg deutlich höhere Leistungen erhalten und öfter Elternzeit als Mütter nehmen – allerdings zumeist nur in Teilzeit.

Zugang zu guter und bezahlbarer Kindertagesbetreuung

Nach Ablauf der Ansprüche auf bezahlte Elternzeit ist der Zugang zu guter und bezahlbarer frühkindlicher Bildung und Betreuung (FBBE) entscheidend, um beiden Eltern den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern und zugleich für das Wohlbefinden von Kind und Familie insgesamt zu sorgen. Da Mütter in den meisten Familien nach wie vor den Großteil der Betreuung übernehmen, ist es besonders für sie wichtig, die Rückkehr in den Arbeitsmarkt mit dem Betreuungsbedarf des Kindes in Einklang zu bringen. Bezahlbare FBBE-Angebote sind daher unerlässlich für mehr Gleichstellung im Arbeitsmarkt. In der Tat haben Länder mit höheren Betreuungsquoten im Durchschnitt eine höhere Beteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Abbildung 2). Im Rahmen der COVID-19-Pandemie, die den Blick auf die Notwendigkeit von FBBE gelenkt hat, haben viele OECD-Länder einen großen Teil der fiskalpolitischen Antwort auf die Pandemie für den Ausbau der FBBE-Kapazitäten eingesetzt – z. B. Italien, die USA und Deutschland.

Abbildung 2
Eine höhere Betreuungsquote1 geht mit einer höheren Beschäftigung von Frauen einher
Eine höhere Betreuungsquote1 geht mit einer höheren Beschäftigung von Frauen einher

1 Für frühkindliche Bildung und Betreuung (FBBE).

Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2020 oder aktuellste verfügbare Daten (siehe Indikator PF3.2).

Quelle: OECD-Familiendatenbank und OECD-Arbeitsmarktdatenbank.

Im OECD-Durchschnitt wurden 2020 36 % der 0- bis 2-Jährigen und 88 % der 3- bis 5-Jährigen in FBBE betreut (OECD-Familiendatenbank). Unterschiede zwischen den Ländern lassen sich oft auf verschiedene Elternzeitansprüche, den Umfang staatlicher Unterstützung und gesellschaftliche Einstellungen zur Kinderbetreuung zurückführen. Z. B. sind in den Niederlanden fast 70 % der 0- bis 2-Jährigen in FBBE eingeschrieben, allerdings arbeiten Mütter oft nur in Teilzeit und Kinder werden nur 1 bis 2 Tage pro Woche betreut. Skandinavische Länder hingegen zielen darauf ab, Vollzeitarbeit beider Elternteile zu ermöglichen, was zu gut finanzierter FBBE und hoher Teilnahme bereits in jungen Jahren führt. Norwegen hat z. B. seinen FBBE-Sektor zwischen 2003 und 2010 massiv ausgebaut und ähnlich wie Schweden eine Kita-Garantie ab dem ersten Geburtstag eingeführt – seither ist die Betreuungsquote besonders hoch. In Mexiko und der Türkei ist die Betreuungsquote deutlich geringer, was auf eine längere Elternzeit, welche überwiegend von Müttern genommen wird, oder auf informelle Betreuung und geringere öffentliche Investitionen in den FBBE-Sektor zurückzuführen ist und sich in niedrigen Beschäftigungsquoten unter Frauen widerspiegelt.

Die Kosten für FBBE können in vielen OECD-Ländern – insbesondere für Familien mit niedrigeren Einkommen – eine bedeutende Hürde darstellen. Im Durchschnitt gibt ein Doppelverdiener-Haushalt mit niedrigem Einkommen und zwei kleinen Kindern etwa 10 % seines Durchschnittslohns für Kinderbetreuungsgebühren aus. In Ländern mit eher marktbasierter FBBE – wie z. B. Australien, Irland, Neuseeland, dem Vereinigten Königreich und den USA – steigt dieser Anteil auf Werte zwischen 15 % und 30 %. Während hohe Betreuungskosten für Familien mit niedrigerem Einkommen eine Barriere zur FBBE sein können, können sie auch die finanziellen Anreize zur (Vollzeit-)Arbeit für Zweitverdiener:innen in Haushalten mit mittlerem Einkommen erheblich mindern. In einigen Ländern, wie Irland, Litauen, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich, können effektive Grenzsteuersätze in Haushalten mit mittlerem Einkommen 70 % oder mehr betragen, wobei oft die Hälfte oder mehr hiervon durch Kinderbetreuungsgebühren verursacht wird. Allerdings gibt es tendenziell positive Entwicklungen, so wie Pläne in England, allen Kindern ab neun Monaten 30 Wochenstunden kostenlose FBBE zu gewähren oder eine großangelegte Reform des FBBE-Systems in Kanada, die eine Garantie für eine maximale FBBE-Gebühr von 10 CAD pro Tag vorsieht.

Steuer- und Sozialleistungssysteme

In fast allen OECD-Ländern sind Frauen überwiegend Zweitverdienerinnen. Dies ist nicht nur ein Problem für die Gleichstellung, sondern spiegelt auch grundlegende kulturelle und sozioökonomische Arbeitsmarktstrukturen wider. Die Gestaltung von Steuer- und Sozialleistungssystemen kann dazu führen, dass Zweitverdiener:innen weniger Anreize haben, in Vollzeit zu arbeiten. Einer der Mechanismen, der diesen Effekt verursacht, ist die gemeinsame Besteuerung von Partnern, die es z. B. in Estland, Frankreich, Deutschland, Irland und Portugal gibt. Sie führt oft dazu, dass Zweitverdiener:innen mit höheren Grenzsteuersätzen besteuert werden, insbesondere wenn es erhebliche Gehaltsunterschiede zwischen den Partnern gibt (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3
Nettosteuersätze für Zweitverdiener:innen sind oft höher als für alleinstehende Arbeitnehmer:innen
Nettosteuersätze für Zweitverdiener:innen sind oft höher als für alleinstehende Arbeitnehmer:innen

Die Daten beziehen sich auf durchschnittliche persönliche Nettosteuersätze 2022 für Alleinstehende und Zweitverdiener:innen mit 67 % des Durchschnittslohns (Hauptverdiener:in mit Durchschnittslohn) und ohne Kinder.

Quelle: OECD-Berechnungen auf der Grundlage der OECD Taxing Wages Modelle, https://www.oecd.org/tax/taxing-wages-20725124.htm (5. September 2023).

Im Gegensatz dazu haben Länder, die Partner individuell besteuern, meist geringere Unterschiede in den Steuersätzen von Erst- und Zweitverdiener:innen, wie z. B. in Schweden, im Vereinigten Königreich, in Japan und Italien. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen es trotz individueller Besteuerung schwächere Anreize zur (Vollzeit-)Beschäftigung gibt. In Island sind z. B. die Einkommensteuern stark progressiv und Sozialleistungen werden streng auf Bedürftigkeit geprüft, was dazu führen kann, dass durch (Vollzeit-)Beschäftigung von Zweitverdiener:innen steuerliche Vorteile oder Sozialleistungen verloren gehen. Dies hat in Island zu einem der größten Unterschiede in den bezahlten Arbeitsstunden zwischen Männern und Frauen unter den OECD-Ländern geführt.

Deutsche Familienpolitik im internationalen Vergleich

Mit dem Ziel, Frauen besser in den Arbeitsmarkt einzubinden und die Partnerschaftlichkeit in Familien zu stärken, hat Deutschland über die vergangenen 10 bis 15 Jahre seine familienpolitischen Maßnahmen ausgebaut. Insgesamt gibt Deutschland etwa 3 % des BIP für familienpolitische Maßnahmen aus – und damit ca. 1 Prozentpunkt mehr als im OECD-Durchschnitt. Dies hat zu nahtlosen Unterstützungen ohne größere Unterbrechungen von den frühen Jahren bis zum Ende der Teenagerjahre der Kinder geführt (OECD-Familiendatenbank). Im Vergleich zu anderen OECD-Ländern liegen die familienpolitischen Ausgaben in jedem Alter deutlich über dem Durchschnitt (vgl. Abbildung 4); auch die Beschäftigungsquote deutscher Frauen zwischen 15 und 64 Jahre ist mit 73 % höher als der Durchschnitt der OECD-Länder von 67 %, was zum Teil auf den Ausbau der familienpolitischen Maßnahmen zurückzuführen ist.

Abbildung 4
Deutschland hat ein Kontinuum an familienpolitischen Unterstützungsmaßnahmen
Deutschland hat ein Kontinuum an familienpolitischen Unterstützungsmaßnahmen

Quelle: OECD-Familiendatenbank.

Mit der Einführung des ElterngeldPlus wurden z. B. konkrete Anreize für Väter geschaffen Elternzeit zu nehmen, was auch den Väteranteil deutlich erhöht hat. Da es allerdings bis heute keine bezahlte Väterfreistellung nach der Geburt gibt, sind die gesamten individuellen Ansprüche an bezahlten Freistellungen nach der Geburt für Väter kürzer als der OECD-Durchschnitt von zehn Wochen. Dies ist auch einer der Gründe, warum Mütter junger Kinder seltener berufstätig sind als im OECD-Durchschnitt (OECD-Familiendatenbank). Mit der für 2024 geplanten Einführung einer Väterfreistellung von zwei Wochen wird Deutschland weiterhin hinter anderen OECD-Ländern hinterherhinken. Gleichzeitig gibt es Befürchtungen, dass die geplante Verringerung der Bemessungsgrenze für Elterngeld von 300.000 auf 150.000 Euro dazu führen wird, dass nicht nur weniger Paare Anspruch auf Ersatzleistungen nach der Geburt ihres Kindes haben, sondern auch dass noch weniger Väter in Elternzeit gehen und so die gleichstellungspolitischen Ziele der Bundesregierung untergraben werden (Huebener und Spieß, 2023).

Seit 2013 hat Deutschland bereits ein gesetzliches Recht auf einen KiTa-Anspruch ab dem ersten Geburtstag. Trotz dieser Ansprüche und relativ hoher Betreuungsquoten, die mit 38 % der 0- bis 2-Jährigen und 94 % der 3- bis 5-Jährigen im Jahr 2020 etwas über dem OECD-Durchschnitt lagen, gibt es immer noch eine erhebliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage sowie Qualitätsprobleme in einigen Bundesländern. Für 2023 wird z. B. ein Mangel von 378.000 Kita-Plätzen und 98.600 Fachkräften erwartet. Im Jahr 2019 gab Deutschland 0,8 % des BIP für die FBBE aus, ähnlich wie andere OECD-Länder. Im Rahmen des Gute-Kita-Gesetzes und des Kita-Qualitätsgesetzes stellt die Bundesregierung den Ländern allerdings zwischen 2019 und 2024 insgesamt zusätzliche 9,5 Mrd. Euro zur Verfügung, um die KiTa-Qualität zu erhöhen und Familien durch KiTa-Subventionen zu unterstützen.

Im Vergleich zu vielen anderen Steuer- und Sozialleistungssystemen in der OECD, schafft Deutschland durch das Ehegattensplitting niedrigere Anreize für Vollzeitarbeit von Zweitverdiener:innen. Daher ist die Teilzeitquote bei Frauen in Deutschland mit 36 % besonders hoch und liegt deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 24 %. Zusammen mit anderen Faktoren, wie z. B. einer sektoralen Segregation und einer Unterbewertung von traditionell frauendominierten Berufen, führt dies dazu, dass die geschlechtsspezifische Lohnlücke mit 14 % über dem OECD-Durchschnitt von 12 % liegt. Gerade die Geburt eines Kindes hat in Deutschland im Vergleich zu skandinavischen und anglofonen Ländern langfristig besonders starke negative Auswirkungen auf das Einkommen von Müttern, welche nach der Geburt des ersten Kindes auf lange Sicht im Durchschnitt ganze 60 % ihres Einkommens im Vergleich zu Vätern einbüßen. Das Fehlen von Sanktionen im deutschen Entgelttransparenzgesetz bedeutet auch, dass es weniger wirksam ist als die Instrumente zur Lohntransparenz, die in vielen anderen OECD-Ländern eingesetzt werden.
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Autoren: Queisser, M., Fluchtmann, J.,“Familienpolitische Trends in den OECD-Ländern“, Wirtschaftsdienst, 103. Jahrgang., Heft 9, 2023, Seiten 589-594, Literaturverweise siehe dort, als Open Access | CC BY 4.0 | DOI: 10.2478/wd-2023-0167

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