Tatsächliche CO2-Emissionen der Elektromobilität werden relevant

Die deutsche und europäische Politik hat sich deshalb bisher ganz einer „All-Electric“-Strategie verschrieben. Die Bundesregierung plant im Rahmen der sogenannten Verkehrswende bis zum Jahr 2030 15 Mio. Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen und fördert nach wie vor die Elektromobilität mit Milliardenbeträgen (beispielsweise über Steuerbefreiungen oder die staatliche Finanzierung des Ausbaus von Ladeinfrastruktur). Doch schon der Wegfall eines Teils dieser Förderung, der direkten Kaufprämie, hat zu deutlich rückläufigen Zulassungszahlen von E-Autos in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres geführt, was die Erreichung des (ohnehin von vorneherein sehr ambitionierten) 15-Millionen-Ziels zunehmend unwahrscheinlich erscheinen lässt. Vor allem aber würden selbst diese 15 Mio. Elektroautos nur weniger als ein Drittel des gesamten Pkw-Bestandes ausmachen, und auch nach einem vollständigen Verbot der Neuzulassung von Verbrennern hätten diese noch für viele Jahre einen großen Anteil am Fahrzeugbestand. Was zu einem großen Vorteil der synthetischen Kraftstoffe führt: Dass damit eben auch diese Abermillionen Bestandsfahrzeuge klimaneutral betrieben werden können, die selbst nach einem Verbrennerverbot noch für viele Jahre am Verkehr teilnehmen werden.

Dadurch, dass E-Fuels aufgrund der besseren Transportierbarkeit auch an Standorten produziert werden können, die eine deutlich höhere Verfügbarkeit erneuerbarer Energien aufweisen als hierzulande, wird der Effizienznachteil bei ihrer Produktion zumindest teilweise relativiert. Ein weiterer Vorteil ist, dass für diese Kraftstoffe das bestehende Tankstellennetz weiter genutzt werden kann, während die vollständige, flächendeckende Umstellung auf Elektromobilität immense Investitionen erfordert, beispielsweise in die Ladeinfrastruktur. Selbst China als Vorreiterland in Sachen Elektromobilität setzt inzwischen auch auf eine Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren und die Entwicklung CO₂-neutraler Kraftstoffe. Bislang gilt als das wichtigste Gegenargument, dass die Produktionskapazitäten für E-Fuels auch künftig allenfalls für Anwendungen in solchen Bereichen ausreichen würden, die nicht ohne weiteres elektrifiziert werden können, wie etwa die Luft- oder Schifffahrt. Tatsächlich ist das aber eine empirische Frage, die vor allem von der künftigen technologischen Entwicklung abhängt und heute kaum abschließend beantwortet werden kann.

Europa täte also gut daran, das Verbrennerverbot noch einmal zu überdenken, insbesondere aus einem weiteren, ökonomischen Grund: Der Verkehrsbereich wird ab dem Jahr 2027 ohnehin vom Emissionshandel erfasst, die Emissionen sind damit gedeckelt und werden über die Menge der ausgegebenen Zertifikate (das „Cap“) gesteuert. Zusätzliche Maßnahmen – wie das Verbot von Verbrennungsmotoren oder Subventionen – bewirken aufgrund des Wasserbetteffektes dann einerseits keine zusätzlichen Emissionseinsparungen: Emissionsrechte, die dadurch frei würden, werden an anderer Stelle für Emissionen verwendet. Das Cap bleibt insgesamt unverändert. Andererseits führen diese Maßnahmen aber zu erheblichen Effizienzverlusten, weil dann der Staat und nicht mehr die Vermeidungskosten über die „richtigen“ Vermeidungsmaßnahmen entscheidet. Unter der Maßgabe des Emissionshandels wird sich letztlich die effiziente Vermeidungstechnologie im Mobilitätssektor durchsetzen. Ob das rein batteriebetriebene Elektroautos, Verbrenner mit E-Fuels, Brennstoffzellen oder sonstige Technologien sein werden, lässt sich kaum seriös prognostizieren. Am wahrscheinlichsten erscheint aus heutiger Sicht ein Technologie-Mix, differenziert nach unterschiedlichen Anwendungen. Es ist daher kontraproduktiv (und entspricht einer „Anmaßung von Wissen“ im Sinne von Friedrich August von Hayek), sich hier einseitig auf eine Technologie festzulegen.
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Autor: Lerch, A., „Elektromobilität: Königsweg oder Sackgasse?“, Wirtschaftsdienst, 104. Jahrgang., Heft 4, 2024, Seite 222, als Open Access | CC BY 4.0 | DOI: 10.2478/wd-2024-0061

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