BVerfG untersagt die Subventionspolitik des Bundes
Subventionen in Zeiten knapper Kassen
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Übertragung von 60 Mrd. Euro nicht genutzter Corona-Kreditermächtigungen auf den Klima- und Transformationsfonds (KTF) als nicht verfassungsgemäß einzustufen, hat die Finanzpolitik in Deutschland in eine Krise gestürzt. Daher ist ein „Kassensturz“ angesagt. Im vorliegenden Beitrag werden dazu die Ergebnisse des Kieler Subventionsberichts herangezogen. Dabei sollen die Finanzhilfen des Bundes nach den Haushaltsplänen 2022 und 2023 besonders stark steigen. 2023 sollen sie sogar höher als die Sozialausgaben des Bundes ausfallen. Zur Gegenfinanzierung von Haushaltslücken sollten daher Finanzhilfen nicht ausgespart werden.
Vor diesem Hintergrund dürfte es angezeigt sein, einen „Kassensturz“ zu machen und jeden Cent mehrmals umzudrehen. In dieser Situation könnte ein Blick in den Kieler Subventionsbericht für etwas mehr Klarheit sorgen, dessen 2023er Ausgabe etwa einen Monat vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts veröffentlicht wurde. Er enthält auch einen Überblick über den gesamten Bundeshaushalt, wobei die ermittelten Subventionen in den Kontext der gesamten Ausgaben gestellt werden.
Bundesfinanzhilfen seit 2014 auf Expansionskurs
Die Datenbank des aktuellen Kieler Subventionsberichts zeigt, dass die Finanzhilfen des Bundes einschließlich seiner zahlreichen Sonderhaushalte seit 2014 auf Expansionskurs sind. Das gilt insbesondere für die beiden Jahre 2022 und 2023. Im Jahr 2022 sollten sie nach den Haushaltsplandaten auf 97,8 Mrd. Euro steigen. Das entspricht einer Steigerung um 20,3 Mrd. Euro oder 26 % gegenüber 2021. Im Jahr 2023 soll nunmehr ein Sprung der Finanzhilfen des Bundes um 113 % auf 208 Mrd. Euro erfolgen, was den bisherigen Rahmen vollkommen sprengt (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1
Die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes 2000 bis 20231
1 2000 bis 2021 Ist-Werte, 2022 und 2023 Sollwerte.
Quelle: BMF; eigene Darstellung und Berechnungen.
Dabei entfällt mit 101,6 Mrd. Euro fast die Hälfte auf die Finanzhilfen des neu installierten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Besonders dynamisch, und das seit Jahren, haben sich aber auch die Finanzhilfen im Rahmen des KTF entwickelt, dessen weitere Planung nun massiv vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts betroffen ist. Während sich 2015 die aus diesem Sondervermögen des Bundes geleisteten Ausgabesubventionen noch auf 1 Mrd. Euro beliefen, sollen sie schon im laufenden Jahr 2023 auf 34,1 Mrd. Euro steigen.
Von den Finanzhilfen aus dem WSF abgesehen betraf der größte Zuwachs bei den übrigen Finanzhilfen die Förderung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Nutzung erneuerbarer Energien im Gebäudebereich, und zwar 5,7 Mrd. Euro im Jahr 2022 und 7,3 Mrd. Euro im Jahr 2023. Auf den zweiten Platz kam 2022 der Zuschlag aus zusätzlichen Regionalisierungsmitteln für das 9-Euro-Ticket in Höhe von 2,5 Mrd. Euro und 2023 die Strompreiskompensation für Unternehmen mit etwas mehr als 2 Mrd. Euro.
Steuervergünstigungen nehmen ebenfalls zu
Bei den Steuervergünstigungen waren bei Redaktionsschluss des aktuellen Berichts vollständige Daten nur für 2022 verfügbar. Danach lagen die Steuervergünstigungen 2022 mit 75,3 Mrd. Euro um 6,9 Mrd. Euro oder 10 % über dem Niveau des Vorjahres. Die fünf gewichtigsten Posten umfassten im Jahr 2022: 39,2 Mrd. Euro bzw. 52,1 % der Steuerausfälle. Dabei handelte es sich um die Umsatzsteuerbefreiung der Sozialversicherungsträger, Krankenhäuser und anderer Institutionen des Gesundheitswesens (20,4 Mrd. Euro), die Entfernungspauschale (6,2 Mrd. Euro), den Erbschaftsteuerfreibetrag und die Erbschaftsteuerminderung beim Übergang von Betriebsvermögen an Unternehmensnachfolger (5,1 Mrd. Euro), den Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgabe (4,2 Mrd. Euro) und die Steuerbefreiung bestimmter Zuschläge für Sonntags‐, Feiertags- und Nachtarbeit (3,4 Mrd. Euro). Die Vergünstigung aufgrund des nunmehr wohl vor der Abschaffung stehenden ermäßigten Steuersatzes für Restaurants und Verpflegungsdienstleistungen kam auf knapp 2,9 Mrd. Euro. Der größte Zuwachs im Jahr 2022 war der Tankrabatt mit 3,15 Mrd. Euro.
Wirtschaftsstabilisierungsfonds ist vorwiegend ein Subventionshaushalt
Eine Reihe von fiskalpolitischen Maßnahmen der Jahre 2022 und 2023 ist nicht als Subvention (Finanzhilfe oder Steuervergünstigung) einzustufen, wie etwa die allgemeinen einkommensteuersenkenden Maßnahmen. Auf der Ausgabeseite haben etwa Hilfen zugunsten der Ukraine und der ukrainischen Flüchtlinge als humanitäre Leistungen keinen Subventionscharakter. Das trifft analog für Ausgaben im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Ukraine zu.
Subventionscharakter haben hingegen zahlreiche andere Posten. So ist etwa der Tankrabatt von 2022 als Subvention einzustufen, weil er verzerrend wirkt: Die Steuerausfälle aufgrund der Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe in Höhe von 3,15 Mrd. Euro sind als steuerliche Verkehrssubvention zu werten. Die Ausgaben im Jahr 2022 für das 9-Euro‐Ticket in Höhe von 2,5 Mrd. Euro sind ebenfalls eine Finanzhilfe zur Förderung des ÖPNV. Das Zuschussprogramm für energieintensive Unternehmen (2023: 1 Mrd. Euro) gehört gleichfalls zu den Subventionen.
Mit wenigen Ausnahmen (Zinsen und die Bundesbeteiligung UNIPER SE) ist aber vor allem das Sondervermögen des neu eingerichteten WSF, das 2023 insgesamt 121,2 Mrd. Euro an geplanten Ausgaben umfasst, ein reiner Subventionshaushalt. Die ursprünglich geplante Subventionssumme aus diesem Fonds beträgt 101,6 Mrd. Euro. Die größten Posten sind die Zuschüsse zur Finanzierung der Gaspreisbremse (40,3 Mrd. Euro) und der Strompreisbremse (43 Mrd. Euro) sowie weitere Stützungsmaßnahmen (8,5 Mrd. Euro). Es sind diese geplanten Finanzhilfen, welche die Subventionssumme des Bundes auf ein bislang nicht gekanntes Niveau heben. Wie aus dem Bundesfinanzministerium verlautete, sind die bisherigen tatsächlichen Ausgaben für diese Posten deutlich niedriger als veranschlagt. Insofern wird sich nach Vorliegen der Ist-Zahlen nach dem Jahresende die Situation etwas entspannen.
Selbst theoretisch vertretbare Subventionen können schädliche Nebenwirkungen haben
Selbst wenn Subventionen gerechtfertigt werden können, weil Marktversagen vorliegt und/oder soziale Erträge vermutlich größer als private Erträge sind, ist zu bedenken, dass Subventionen dennoch problematische Nebenwirkungen haben können: Verwaltungskosten, allokative Verzerrungen, Strukturkonservierung, Unsicherheiten über das Marktversagen, Verhaltensänderungen im Sinne einer Subventionsmentalität, Existenz alternativer Instrumente zur Problembehebung sind Stichworte in diesem Zusammenhang. Insofern sollte man beim Einsatz auch gerechtfertigter Subventionen stets Vorsicht walten lassen.
Finanzhilfen des Bundes dominieren im Vergleich mit Grundlagenforschungs- und Bildungsausgaben
Seit einigen Jahren werden im Kieler Subventionsbericht die Finanzhilfen des Bundes mit Ausgaben für Forschung, die außerhalb von Unternehmen stattfindet, und Bildung, soweit der Bund involviert ist, verglichen. Die potenziell wohlfahrtssteigernden Zuschüsse des Bundes für Forschungstätigkeit außerhalb von Unternehmen beziffern sich 2023 auf geplante 15,3 Mrd. Euro. 2022 waren es 16,2 Mrd. Euro. Die Forschungsausgaben würden sich im Jahr 2023 (2022) daher auf lediglich 7,3 % (16,6 %) im Verhältnis zum gesamten ursprünglich geplanten Finanzhilfevolumen des Bundes nach dem Kieler Subventionsbegriff belaufen.
Bildungspolitik fällt demgegenüber in Deutschland zwar zu guten Teilen in das Aufgabengebiet der einzelnen Bundesländer. Aber auch der Bund ist in diesem Sektor präsent: 8,8 Mrd. Euro an Bundeszuschüssen fließen 2023 in die Bildung sowie in die Kinder‐ und Jugendhilfe, die meist einen engen Bildungsbezug hat. Im Jahr 2022 waren 9,6 Mrd. Euro geplant. Die im Kieler Subventionsbericht erfassten Finanzhilfen des Bundes insgesamt waren dagegen 2022 mehr als zehnmal so hoch wie seine Bildungsausgaben, im Jahr 2023 werden die Finanzhilfen fast 24-mal so hoch sein.
Finanzhilfen überragen im Kontext des gesamten Bundeshaushalts
2022 haben die Autoren des Subventionsberichts eine ergänzende Datenbank eingerichtet, die den gesamten Bundeshaushalt umfasst, den Kieler Bundesausgabenmonitor (Laaser und Rosenschon, 2022). Im Kontext des gesamten Bundeshaushalts nehmen die Finanzhilfen nach der bislang ungekannten Steigerung aufgrund des WSF nunmehr eine Spitzenstellung ein: 2022 schlugen die Finanzhilfen, also die Subventionsausgaben des Bundes, noch mit 97,8 Mrd. Euro (19,9 %) zu Buche, was etwas mehr als die Hälfte der Sozialausgaben (174,1 Mrd. Euro) ausmachte. Im laufenden Jahr 2023 soll die Summe der Finanzhilfen aber auf 208 Mrd. Euro und ihr Anteil an den bereinigten Gesamtausgaben auf 30,5 % steigen, weil der WSF mit 101,6 Mrd. Euro bzw. 14,9 % als weiterer Finanzhilfefinanzier agiert. Damit sind die geplanten Finanzhilfen 2023 erstmals gewichtiger als die eigentlichen Sozialausgaben, dem bisherigen Spitzenreiter unter den Ausgabearten des Bundes, der nach dem Haushaltsplan 193,9 Mrd. Euro bzw. 28,5 % umfassen soll (vgl. Abbildung 2).
Abbildung 2
Gewicht der Ausgabenkategorien des Kieler Bundesausgabenmonitors im Bundeshaushalt 20231,2
1 Anteile der einzelnen Ausgabenkategorien an den bereinigten Ausgaben im Bundeshaushalt in %; Sollwerte. 2 Übrige Kategorien: Bund-Länder-Finanzausgleich, Zahlungen an das Ausland, Sonstige Ausgaben; Residuum.
Quelle: BMF, eigene Darstellung und Berechnungen.
Die Bundeshaushalte der Jahre 2022 und 2023 sind zwar von dem Bemühen geprägt, Probleme zu bewältigen, die der Ukrainekrieg und die daraus folgende Energiekrise mit sich gebracht haben. Aber insgesamt fällt im Kontext des Bundeshaushalts der sehr hohe Stellenwert von Finanzhilfen, Sozialausgaben und Altlasten (Zinsen und Pensionen) auf. Die Ausgaben für die originären Staatsaufgaben im Zusammenhang mit der Erzeugung von öffentlichen Gütern treten demgegenüber in den Hintergrund. Von einem Euro, den der Bund 2023 auszugeben plante, dienen nur etwas mehr als 19 Cent der Produktion gegenwärtiger und zukünftiger Güter und Staatsleistungen, während Sozialausgaben fast 30 Cent der bereinigten Bundesausgaben und die Finanzhilfen sogar mehr als 30 Cent ausmachen. Selbst wenn jetzt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Zukunft geplante Subventionen und andere Ausgaben erst einmal wegfallen müssen, verbleiben Finanzhilfen des Bundes in substantieller Höhe. Wenn nach Gegenfinanzierungen für die jetzt entstandenen Haushaltslücken gesucht wird, dann sollten auch die verbleibenden Finanzhilfen des Bundes nicht ausgeklammert bleiben.
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Autoren: Laase, C.-F., Rosenschon, A., Schrader, K., „Subventionen in Zeiten knapper Kassen“, Wirtschaftsdienst, 103. Jahrgang., Heft 12, 2023, Seite 864-866, Anmerkungen und Literaturverweise siehe dort, als Open Access | CC BY 4.0 | DOI: 10.2478/wd-2023-0233
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