Kampf gegen übermäßigen Zuckerkonsum

Gesundheitspolitik: Steuer auf zuckergesüßte Getränke

Deutschland und viele andere Länder stehen vor dem Problem einer alternden Gesellschaft und steigender Kosten in den Gesundheits- und Sozialsystemen. Um die finanzielle Tragfähigkeit dieser Systeme langfristig sicherzustellen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Prävention von nicht-übertragbaren Krankheiten. Eine empfohlene Maßnahme ist die Besteuerung von zuckergesüßten Getränken. Stand heute werden in mehr als 60 Ländern weltweit Steuern oder Abgaben auf zuckergesüßte Getränke erhoben – auch in zehn Ländern der Europäischen Union. In Deutschland, wo die Lebenserwartung aufgrund einer hohen Krankheitslast von nichtübertragbaren Krankheiten im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich ausfällt, beträgt der durchschnittliche pro-Kopf-Konsum von zuckergesüßten Getränken ca. 60-80 Liter pro Jahr. Ist die Einführung einer Steuer vor diesem Hintergrund ratsam?

Aus ökonomischer Perspektive gibt es gute Gründe für staatliche Eingriffe, die darauf abzielen den Konsum von zuckergesüßten Getränken zu reduzieren. Zuckergesüßte Getränke sind nicht-essenzielle Lebensmittel und es gibt sehr gute Evidenz dafür, dass deren regelmäßiger Konsum zu einer Gewichtszunahme und zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Diabetes und Herzkreislauferkrankungen führt, die hohe Kosten in den Gesundheits- und Sozialversicherungssystemen verursachen. Der Konsum von zuckergesüßten Getränken führt somit zu externen Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden und die durch eine Besteuerung teilweise auf Hersteller und Konsument:innen umgelegt werden können. Es ist zusätzlich davon auszugehen, dass die Besteuerung von zuckergesüßten Getränken einen Beitrag dazu leisten kann gesundheitliche Ungleichheit zu verringern. Einkommensschwache Haushalte weisen den höchsten Konsum auf und reagieren stärker auf Preiserhöhungen. Sie wären durch eine Steuer finanziell überproportional belastet, hätten langfristig aber wohl den größten gesundheitlichen Nutzen.

Die Ausgestaltung einer Steuer ist ausschlaggebend dafür, ob der intendierte Lenkungseffekt, die Reduktion des Zuckerkonsums, eintritt. Es hat sich gezeigt, dass zur Erreichung dieses Ziels eine spezifische volumetrische Verbrauchsteuer oder Herstellerabgabe, gestaffelt nach dem Zuckergehalt des Produkts, das zu präferierende Modell darstellt. Ein solches Modell setzt Anreize für Hersteller den Zuckergehalt in den Produkten zu reduzieren. In Großbritannien, wo so eine Herstellerabgabe 2018 eingeführt wurde, ging der Zuckergehalt in Softdrinks seit 2015 um fast 30 % zurück. Die Höhe der Steuer beeinflusst zudem die zu erwartende Konsumreduktion und den Anreiz für Reformulierung und sollte nach Empfehlung der WHO mindestens 20 % betragen.

Studien aus Ländern mit Steuern auf zuckergesüßte Getränke zeigen, dass die Hersteller Preisaufschläge an Konsument:innen weitergeben und dass dort die Nachfrage nach zuckergesüßten Getränken zurückgeht. Die Evidenz für den Effekt auf Konsum sowie für Substitutionseffekte und die zeitliche Stabilität der genannten Effekte ist hingegen weniger eindeutig. Jüngste Studien zeigen allerdings, dass in einigen Ländern die Besteuerung mit einer Verringerung des Körpergewichts bei Kindern und Jugendlichen einhergeht. In einer Mikrosimulationsstudie haben mein Team und ich kürzlich die zu erwartenden Effekte verschiedener Besteuerungsmodelle in der deutschen Erwachsenenbevölkerung modelliert (Emmert-Fees et al., 2023). Unsere Ergebnisse zeigen, dass durch die Einführung einer gestaffelten Herstellerabgabe wie in Großbritannien über die kommenden 20 Jahre in etwa 244.000 Diabeteserkrankungen verzögert oder verhindert und 16 Mrd. an gesellschaftlichen Kosten vermieden werden könnten. Trotz der zugrundeliegenden Unsicherheit der Simulation verdeutlichen diese Zahlen, welche unter Berücksichtigung von Effekten bei Kindern und Jugendlichen voraussichtlich noch höher ausgefallen wären, die Dimension der potenziell zu erwartenden Effekte auf Bevölkerungsebene.

Insgesamt deutet die Evidenzlage darauf hin, dass eine Steuer auf zuckergesüßte Getränke ein zielführendes politisches Lenkungsinstrument zur Verhinderung nicht-übertragbarer Krankheiten sowie zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit und des Kostendrucks in Gesundheits- und Sozialsystemen darstellen kann. Wichtig ist allerdings, dass die Besteuerung von zuckergesüßten Getränken nur einen Teil einer umfassenden evidenzbasierten Gesamtstrategie für die Prävention von nicht-übertragbaren Krankheiten darstellen sollte. Eine solche ist für Deutschland derzeit nur in Ansätzen erkennbar.
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Autor: Laxy, M., „Gesundheitspolitik: Steuer auf zuckergesüßte Getränke“, Wirtschaftsdienst, 103. Jahrgang., Heft 12, 2023, Seite 797, als Open Access | CC BY 4.0 | DOI:10.2478/wd-2023-0218

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