Studie – Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel

Arbeitslosigkeit, Fachkräftemangel und Demografie

Seit 2005 folgt die Arbeitslosenquote in Deutschland einem sinkenden Trend. Nach einem Höhepunkt von 11,7 % im Jahr 2005 ist die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote 2022 auf nur noch 5,3 % gefallen (BA, 2023). Deutschland bewegt sich also in Richtung Vollbeschäftigung, die in etwa bei einer Arbeitslosenquote von 2 % bis 3 % vorliegt (Weber, 2014). Allerdings gibt es innerhalb Deutschlands regional deutliche Unterschiede. Während die Arbeitslosenquoten in Bayern und Baden-Württemberg mit 3,1 % bzw. 3,5 % bereits sehr nahe an der Vollbeschäftigungsgrenze liegen, weisen andere Flächenstaaten wie Mecklenburg-Vor­pommern oder Sachsen-Anhalt mit 7,3 % bzw. 7,1 % derzeit noch deutlich höhere Raten aus. Die höchsten Arbeitslosenquoten finden sich aktuell in den Stadtstaaten Bremen und Berlin (10,2 % bzw. 8,8 %). Auch hier ist die Arbeitslosenquote zwar trendmäßig rückläufig, von Vollbeschäftigung ist man allerdings noch weit entfernt.

Arbeitslosigkeit nach Qualifikationsniveau

Die in Deutschland derzeit existierende Arbeitslosigkeit betrifft vorrangig Personen ohne Berufsausbildung. Deutschlandweit ist fast jeder fünfte ohne Berufsausbildung arbeitslos (19,8 %), wohingegen die Arbeitslosenquote unter Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung gerade einmal 2,8 % beträgt (BA, 2023) und somit bereits sehr nahe am Vollbeschäftigungsniveau liegt. Praktisch vollbeschäftigt ist die Gruppe der Akademiker:innen mit einer Arbeitslosenquote von 2,2 %. Es existiert also ein enger negativer Zusammenhang zwischen Qualifikationsniveau und Arbeitslosenquote. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass viele Branchen und Unternehmen zunehmend über einen Mangel an Fachkräften berichten (Hickmann und Koneberg, 2022). So gaben mehr als die Hälfte aller Unternehmen, die an der IHK-Konjunkturbefragung im Herbst 2022 teilgenommen haben, an, dass sie nicht alle offenen Stellen besetzen konnten (DIHK, 2023). Besonders hoch war der Anteil der Unternehmen mit Stellenbesetzungsproblemen in Süddeutschland (56,6 %) und Norddeutschland (55,1 %), während ostdeutsche Unternehmen etwas seltener betroffen waren (47,8 %). Dabei ziehen sich die Stellenbesetzungsprobleme durch alle Qualifikationsniveaus. Fast jedes zweite Unternehmen (in Süddeutschland sogar mehr als 60 % aller Unternehmen) hat Probleme, Stellen im Rahmen der dualen Berufsausbildung zu besetzen. Nur wenig besser sieht es bei den anderen Qualifikationsniveaus aus. Und selbst bei der Suche nach Arbeitskräften ohne abgeschlossene Berufsausbildung geben immer noch mehr als 30 % aller Unternehmen an, nicht alle Stellen besetzen zu können. Zu beachten ist dabei, dass ein erheblicher Prozentsatz von befragten Unternehmen gar keine Stellen zu besetzen hatte, sodass Besetzungsprobleme erst gar nicht auftreten konnten (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Unternehmen mit Problemen bei der Besetzung offener Stellen nach Regionen und Qualifikationen. Stand: Herbst 2022.

Unternehmen mit Problemen bei der Besetzung offener Stellen nach Regionen und Qualifikationen

Quelle: Deutsche Industrie- und Handelskammer (2023).

Fachkräftemangel, aber noch kein Arbeitskräftemangel

Dies ist umso erstaunlicher, als dass Arbeitskräfte ohne abgeschlossene Berufsausbildung in allen Regionen Deutschlands derzeit noch verfügbar sind. Abbildung 2 zeigt die Arbeitslosenquoten unter Personen ohne abgeschlossene Ausbildung auf Kreisebene (BA, 2023). Es zeigen sich dabei erhebliche regionale Unterschiede, insbesondere zwischen West- und Ostdeutschland. Während in der Gruppe der Personen ohne abgeschlossene Ausbildung in Westdeutschland eine Arbeitslosenquote von 18,4 % zu verzeichnen ist, liegt diese in Ostdeutschland bei immerhin 29 %. Dabei reicht die Spannweite von 6,3 % im Kreis Main-Spessart bis zu immerhin 46,3 % im Kreis Mansfeld-Südharz. Vor diesem Hintergrund lässt sich zwar derzeit noch nicht von einem generellen Arbeitskräftemangel sprechen; es gibt aber durchaus schon heute deutsche Regionen, in denen selbst Geringqualifizierte bereits relativ knapp sind.

Abbildung 2
Arbeitslosenquote für Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung nach Kreisen 2022

Arbeitslosenquote für Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung nach Kreisen 2022

Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2023).

Keine Entspannung in Sicht

Vor dem Hintergrund des in Deutschland voranschreitenden demografischen Wandels gibt es wenig Anzeichen für eine Verbesserung des Arbeitskräfteangebots. Ganz im Gegenteil ist mit einem deutlichen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials zu rechnen. So kommt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR, 2021) in seiner jüngsten Prognose 2021 zu dem Ergebnis, dass das Potenzial der Erwerbstätigen zwischen 2020 und 2040 deutlich rückläufig sein wird. Wie Abbildung 3 zeigt, prognostiziert der BBSR einen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials von 43,1 Mio. im Jahr 2020 auf 40,1 Mio. im Jahr 2040, wobei das Erwerbstätigenpotenzial hier alle Personen im Alter zwischen 15 und 70 Jahren einschließt. Dabei fällt der Rückgang in Ostdeutschland prozentual noch größer aus als in Westdeutschland. Andere Prognosen kommen zu ähnlichen Ergebnissen (z. B. Fuchs et al., 2022).

Abbildung 3
Prognose des Erwerbspersonenpotenzials West- und Ostdeutschlands 2017 bis 2040

Erwerbspersonen 2010 = 100

Prognose des Erwerbspersonenpotenzials West- und Ostdeutschlands 2017 bis 2040

Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2021).

Im Ergebnis ist somit zu erwarten, dass vor dem Hintergrund des demografischen Wandels der Fachkräftemangel in der absehbaren Zukunft noch deutlich zunehmen und in einen generellen Arbeitskräftemangel münden wird. Auch wenn der deutsche Arbeitsmarkt zuwandernde Fachkräfte bereitwillig aufnimmt (Haustein, 2022) wird dies nicht ausreichen, um den Fachkräftebedarf in Zukunft zu decken. Es wird zusätzlich nötig sein, die Erwerbsbeteiligung weiter zu erhöhen, die Lebensarbeitszeit (wo möglich) zu verlängern und menschliche Arbeitskraft durch Automatisierung und Digitalisierung einzusparen.
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Autoren: Berlemann, Michael; Eurich, Marina. „Arbeitslosigkeit, Fachkräftemangel und Demografie“, Wirtschaftsdienst, vol.103, no.2, 2023, pp.147-148, als Open Access | CC BY 4.0 | DOI: 10.2478/wd-2023-0039

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