Homeoffice kritisch hinterfragt

Im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes hatte die Bundesregierung Arbeitgeber zeitweise verpflichtet, ihren Beschäftigten das Arbeiten von zuhause aus, im sogenannten „Homeoffice“, zu ermöglichen. Mittlerweile ist das Angebot nur noch freiwillig.

Für die Beschäftigten bietet ein Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus auf den ersten Blick viele Vorteile. Sie haben in der Regel mehr Freiheiten bei der Einteilung der Arbeitszeit, die Wegezeiten zum Arbeitsplatz und zurück fallen weg, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (neudeutsch „Work-Life-Balance“) scheint viel einfacher realisierbar. Arbeitgebern soll das Homeoffice-Angebot vor allem Kostenersparnis und höhere Mitarbeitermotivation – verbunden mit einer Produktivitätssteigerung und weniger Ausfallzeiten – einbringen.

Insbesondere für junge, aufstrebende Unternehmen scheint diese Möglichkeit ideal zu sein. Die eigene Büroinfrastruktur kann klein gehalten werden, beliebiges Wachstum mit attraktiven Arbeitsplätzen kann trotzdem generiert werden. Auch die Zugriffsmöglichkeiten auf potentielle Bewerber erweitert sich enorm, da der regionale Einzugsbereich keine Rolle mehr spielt.

Die Realität fördert aber schnell auch Nachteile des Homeoffice zutage – und zwar für beide Seiten.

Mitarbeiter werden mangels fester Arbeitszeiten als ständig erreichbar angesehen, sind durch den parallel stattfindenden häuslichen Alltag leicht ablenkbar und gestresst und leiden am mangelnden fachlichen Austausch mit Kollegen. Psychische Probleme durch die insgesamt reduzierten oder fehlenden Sozialkontakte nehmen zu.

Für den Arbeitgeber erwachsen zusätzliche organisatorische Unwägbarkeiten. Da es keine umfassend-konkreten gesetzlichen Regelungen zum Homeoffice gibt, leiten sich die Pflichten bislang aus allgemeineren Gesetzen und Vorschriften ab. Deren Übertragung ist aber oft nicht praktikabel. Vieles betrifft den Arbeitsschutz, den der Arbeitgeber nicht nur einhalten, sondern auch dokumentieren muß. Um rechtssicher zu handeln, müßte er mit jedem einzelnen Mitarbeiter eine Vereinbarung treffen, die ihm die Kontrolle des Homeoffice-Arbeitsplatzes ermöglicht. Und er müßte diese Kontrolle auch durchführen. Weder für den Arbeitgeber noch für den betroffenen Mitarbeiter scheint dieser Zugriff auf die Privatsphäre erwünscht oder hinnehmbar zu sein.

Der oben bereits erwähnte Kostenvorteil für den Arbeitgeber ist in der Praxis ebenfalls noch einmal hinterfragbar. Er würde faktisch nur dann entstehen, wenn der Gesetzgeber eine verpflichtende Entweder-oder-Regelung träfe. Solange Mitarbeiter ein Wahlrecht haben – oder nur an manchen Tagen im Homeoffice arbeiten – muß der Arbeitgeber die bestehende Infrastruktur erhalten. Die Kosten hierfür bleiben also bestehen, auch wenn der vorgehaltene Büroarbeitsplatz nicht oder nur sporadisch genutzt wird. Die Kosten der Ausstattung und des Betriebs des Homeoffice (Büromöbel, Computer, Telefon, Reinigung! etc.) fallen zusätzlich an.

Auch oder gerade mit einer eindeutigen gesetzlichen Regelung zugunsten von Homeoffice-Arbeitsplätzen könnte die Situation für Unternehmen existenziell werden – nämlich dann, wenn eine nachfolgende Regierung diese Regelung wieder kippen würde und die Unternehmen plötzlich vor dem Problem stünden, hausinterne Büroarbeitsplätze bereitzustellen zu müssen, ohne darüber zu verfügen.

Datenschutz, Vertraulichkeit, Betriebsgeheimnisse und Co. sind weitere Themen und Herausforderungen, mit denen die Unternehmen nicht nur aufgrund rechtlicher Vorgaben, sondern insbesondere auch im ureigenen Interesse, zukünftig noch viel öfter konfrontiert sein werden.

Mit der erstmaligen Verpflichtung für Arbeitgeber, ihren Mitarbeitern Homeoffice anzubieten, hat die Politik die kontroverse Diskussion eröffnet. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sie sich entwickelt.

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